Artikelkategorie: Buchbesprechungen

Cora Stephan – Ab heute heiße ich Margo

Wenn der Führer sich verrechnet … Einfach gesagt handelt es sich bei dem Buch von Cora Stephan »Ab heute heiße ich Margo« um die Geschichte zweier Frauen, wie sie gegensätzlicher nicht sein können, Margo und Helene. Aber der Roman von Cora Stephan ist mehr als eine Frauengeschichte, er zeigt gleichermaßen oder sogar noch viel mehr einen wichtigen Ausschnitt innerhalb der deutschen Geschichte, nämlich die Zeitspanne vom Ende des ersten Weltkriegs bis zum Jahr 2000, somit der letzten 70 Jahre des 20. Jahrhundert. Jene überaus prägenden Jahre, die jeder kennt, oder vielmehr, die jeder zu kennen glaubt, und über die jeder eine Meinung hat, genährt aus Schule, Lektüre oder Studium. Und doch ist es dann meist nur die Geschichte der Großen, die kleinen Leute kommen dabei meist zu kurz. Und um die geht es Cora Stephan in ihrem Buch, sie {be}schreibt die Geschichte der normalen Leute. Sie erliegt dabei nicht der Versuchung des sogenannten »Rückschaufehlers«, aus der Gegenwart rückwärts blickend zu berichten, wie das hatte kommen können, was unter der Naziherrschaft kam. Als ob jeder von …

Peter Prange – Die Rose der Welt

Die Freiheit des Denkens! Wirft die interessierte Leserin, der interessierte Leser einen Blick auf Pranges Œuvre, ist eines ersichtlich: der Autor folgt einem historischen ›Ariadnefaden‹. Unbewusst, so sagt er selbst, habe er offenbar immer jene Ereignisse der Historie aufgespürt, die in der europäischen Geschichte eine geistige Zäsur bilden. Prange bezeichnet diese Romane als ›Dekalogie‹. In zehn Romanen, erfahren wir vom Autor, erzähle er zehn bedeutende Ereignisse der europäischen Geschichte. In »Ich, Maximilian, Kaiser der Welt« {14./15. Jahrhundert} rückt er das moderne Europa in Verbindung des Aufstiegs der Habsburger in den Vordergrund, in »Die Philosophin« {18. Jahrhundert} ist es das irdische Glück versus Klerus und Obrigkeit in Gestalt Diderots ›Encyclopédie‹ …  Pranges neuer Roman greift ein aktuelles Thema auf, mag die historische Realität auch ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Gemeint ist hier die Unabhängigkeit der universitären Lehre von Religion und Staat. Das erscheint uns heute selbstverständlich, auch wenn wir nur allzu gern bereit sind diese auf’s Spiel zu setzen, indem wir mächtigen Konzernen erlauben anhand von Stipendien oder durch Forschungsaufträge Kontrolle über unsere freien Universitäten zu erlangen. …

Robert Harris – Dictator

»Solange ich atme, hoffe ich.« Wer kennt das nicht? Diese unbändige Vorfreude auf einen Roman, dessen Erscheinen man sehnsüchtig erwartet? Für viele ist Harris’ ›Dictator‹ solch ein Roman. Vor über zehn Jahren erschien mit »Imperium« der erste Band über den römischen Politiker, Redner, Schriftsteller und nicht zuletzt Philosophen Cicero. 2009 folgte mit »Titan« der zweite Band. Jetzt halten Harris’ Leser endlich den letzten Teil in der Hand und können lesen was Tiro, der einstige Sklave Ciceros, über dessen letzte Jahre zu berichten weiß. Ja. Tiro weiß alles. Er ist sozusagen unser ›Mäuschen aus der Vergangenheit‹. Ein von Harris’ gut gewählter Erzähler, war Tiro nicht nur ›rund um die Uhr‹ an Ciceros Seite, er war auch sein Vertrauter und später auch sein Freund. Zudem war er derjenige, der Ciceros Briefe und Reden ordnete, sie herausgab. Sogar eine Biographie hatte er über ihn verfasst, die allerdings nicht erhalten ist. Um so besser für Harris … Wie stets weiß der Autor auch mit dieser Geschichte seine Leser*innen in Atem zu halten. Ob nun ein britischer Ex-Premier seine Memoiren …

Álvaro Enrigue – Aufschlag Caravaggio

Die Guten gewinnen nie! Caravaggio war als Künstler seiner Zeit voraus. Seine Bilder erzeugten Unmut, gar Abscheu, und gleichzeit große Faszination. Sie waren in den Augen der Kirche respektlos gegenüber ihren religiösen Motiven, den Heiligen und Märtyrern der Kirche, einer Kirche der Gegenreformation. Und doch fanden sie Liebhaber bei den Männern des Glaubens. Als Vorbilder seiner Heiligen wählte der Künstler den Mann, die Frau von der Straße, und führte dem Betrachter dadurch vor Augen, dass die Heiligen aus seinen Reihen stammten, aus dem einfachen Volk. Was die Person Caravaggios betrifft, so ist sein Jähzorn legendär. Dieser war es auch, der Caravaggio sogar als Mörder ins Gefängnis brachte. Wie Álvaro Enrigue in dem Titel seines Buches verspricht, ist Caravaggio einer seiner Helden. Doch eigentlich steht der nur in der zweiten Reihe, besser gesagt, hinter der Grundlinie. Am Netz steht ein anderer: Der Dichter Francisco de Quevedo, der als rauffreudiger Trunkenbold, oder trinkfreudiger Raufbold, dem italienischen Maler weder in Genie, Kondition noch Trinkfestigkeit nachsteht. Der Titel verrät es: Der Autor Álvaro Enrigue wählt die Metapher des Tennis-Spiels, …

Die Manns – Geschichte einer Familie

Die Manns – eine ›amazing family‹ Buchbesprechung: Tilmann Lahme »Die Manns – Geschichte einer Familie« Man wird später Bücher über uns – nicht nur über einzelne von uns – schreiben«, hielt Klaus Mann 1936 in seinem Tagebuch fest. Nicht erst heute, achtzig Jahre später, wissen wir: Er sollte Recht behalten. Jüngstes Beispiel ist das im Fischer Verlag erschienene Buch »Die Manns – Geschichte einer Familie« von Tilmann Lahme. Tilmann Lahme beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Familie Mann. Im Jahre 2006 gab er gemeinsam mit Kathrin Lüssi den Band »Golo Mann. Briefe 1932 – 1992« {Wallstein Verlag} heraus, bevor 2009 im Fischer Verlag seine zu Recht gerühmte Biographie über Golo Mann erschien. Jetzt legt er mit »Die Manns – Geschichte einer Familie« eine Familienchronik der Kernfamilie Mann vor. Mitte 2016 wird mit »Die Briefe der Manns. Ein Familienporträt«, dessen Mitherausgeber Lahme ist, ein weiteres Buch über diese Familie im Fischer Verlag erscheinen. Spätestens seit vor ein paar Jahren der Breloer Dreiteiler ›Die Manns – Ein Jahrhundertroman‹ über die deutschen Bildschirme flimmerte, ist das {nicht …

Die sieben Templer

Neuer historischer Roman von Guido Dieckmann Eine üppige Geschichte … Wir schreiben das Jahr 1314. Zwei Jahre zuvor, am 22. März 1312 löste Papst Clemens V. den Orden der Armen Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem auf dem Konzil von Vienne auf. Er beugte sich damit dem Druck des französischen Königs Philipp IV. Zwei Jahre sitzt der Großmeister Jacques de Molay in Paris in Haft, schließlich wird er am 18. März 1314 zusammen mit seinem Ordensbruder Geoffroy de Charnay auf dem Scheiterhaufen in Paris verbrannt. Das Mysterium, das den Orden der Templer gerade wegen seines dramatischen Schicksals umgibt, ist bis heute lebendig geblieben. Und mit ihm die Legende um den Templerschatz, dessen Natur und Verbleib schon einige Autoren beschäftigt hat, die mit ihren Ideen gleichermaßen Sachbücher wie Romane füllten. Auch Guido Dieckmann widmet sich in seinem Buch diesem Thema … » Besprechung lesen

Die Verschwörung der Ketzer

Buchbesprechung: T.M. Schurkus »Die Verschwörung der Ketzer« Mysteriöser Todesfall eines gedemütigten Admirals Es ist der zweite Fall des Jean-Louis Picaud, der seine Premiere mit »Der Dichter des Teufels« hatte. Diesmal hat es den Pariser in die Normandie, nach Rennes verschlagen, wo er auf einen Posten in der örtlichen Gendarmerie hofft. Doch alles kommt anders als gedacht. Ein mysteriöser Todesfall kommt ihm in die Quere: Kein geringerer als der Admiral Villeneuve ist tot. Von eigener Hand gerichtet, in den Tod getrieben durch die schmachvolle Niederlage gegen die englische Flotte, der berühmten Schlacht von Trafalgar. Selbstmord liegt auf der Hand, so will es scheinen. Doch nein, nichts ist so, wie es scheint. Zwar findet man den Toten in einem verschlossenen Raum in einem Hotel in Rennes, wohin sich der gedemütigte Admiral zurückzog, doch den hinzugerufenen Picaud erscheint dieser Fakt allein nicht maßgeblich zu sein, um auf einen Selbstmord zu schließen. Das Rätsel des verschlossenen Raumes ist für ihn marginal. Und er hat gewichtige Gründe, der offiziellen Meinung der örtlichen Polizei zu widersprechen. Was diese nicht erfreut. Zumal …

Tanz des Vergessens

Das München der ›Goldenen Zwanziger‹ Buchbesprechung: Heidi Rehn »Tanz des Vergessens« Erst seit wenigen Monaten ist der Erste Weltkrieg vorbei. Dennoch brodelt es in Deutschland kräftig weiter. Denn noch bevor Deutsche und Alliierte in Compiègne ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnen, meutern in Kiel die Matrosen. Es ist diese Novemberrevolution, die sich wie ein Lauffeuer bis in den Süden Deutschlands ausbreitet, und die schließlich auch Bayern erreicht. Schon ruft Kurt Eisner am 4. November den Freistaat Bayern aus. Eine Räterepublik formiert sich, an dessen Spitze Eisner steht. Doch nicht alle sind einverstanden. Eisner wird ermordet und München erlebt in rascher Folge zwei aufeinanderfolgende Räterepubliken. Während der ersten noch Literaten, Pazifisten und Anarchisten angehören, setzt sich die zweite aus Kommunisten zusammen. Jetzt sieht sich die bayrische und Berliner SPD zum Handeln genötigt. Aus Angst vor den Kommunisten rufen sie die Reichswehr- und rechtsradikale Freikorps zu Hilfe. Im Mai 1919 richten diese Truppen in München ein wahres Massaker an. Ein Kampf, bei dem tausend Menschen ihr Leben verlieren … »Buchbesprechung lesen

Fake

Die Wahrheit über die Lügen entzaubert die Welt Buchbesprechung: Peter Köhler »Fake« Peter Köhlers Buch »Fake«, das sei vorweg geschickt, leistet einen echten Beitrag zur Entzauberung der Welt und allem, was sie an geistiger Leistung hervorgebracht hat. Literatur, Kunst, Geschichte, Politik, Wissenschaft, nirgends ist man vor Täuschung, Lüge, Fälschungen gefeit. Peter Köhler, nach eigener Auskunft Sohn einer arabischen Prinzessin und ein Multitalent, vernichtet Seite um Seite den Glauben an die Menschheit, an die Sicherheit erworbenen Wissens, ja entlarvt sogar mathematisch-physikalische Gesetze als Augenwischereien. Das ist sehr ernüchternd. Aber auch ungeheuer witzig. Doch, es ist gute Unterhaltung, was Peter Köhler uns darbietet. Und er behandelt die Großen der Geschichte ebenso schonungslos wie die, die erst durch ihn ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden. Im Mittelalter, wir vermuteten es längst, beruhen einige Entwicklungen auf Täuschung und Fälschung. Die Konstantinische Schenkung natürlich, von der mittlerweile jeder weiß, dass sie eine Fälschung ist. Dennoch basiert, unbeirrt von dieser Gewissheit, auf ihrer Basis noch immer Kirchenrecht … Besprechung lesen

Die Kathedrale der Ewigkeit

Kurz & Knapp: Claudia & Nadja Beinert »Die Kathedrale der Ewigkeit« Mit Uta von Naumburg – antwortete der Schriftsteller Umberto Eco einmal auf die Frage, mit welcher historischen Persönlichkeit er gerne zusammentreffen würde. Und wahrhaftig, jeder, der die Stifterfigur der Uta von Naumburg im Westchor des Naumburger Domes anblickt, ahnt warum … Die geheimnisvolle Schönheit dieser Figur war es, die mich den historischen Roman »Die Kathedrale der Ewigkeit« schließlich lesen ließ, auch wenn ich den Vorgängerband nicht kannte. Erst der Bau der Kathedrale, dann die Erfüllung in der Liebe – möchte man meinen. Während Uta das eine gelingt, scheint ihr das andere zu missglücken. Gefangen in einer Ehe mit einem Mann, den sie nicht liebt, empfindet Uta starke Gefühle für dessen Bruder Hermann. Kaum scheint ein gemeinsames Glück greifbar, wird dieser tot aufgefunden. Doch Uta glaubt nicht an Hermanns Tod. Aber je weiter sie nachforscht, um so mehr bringt sie ihre Kathedrale in Gefahr … Kurz & Knapp lesen