Die wilde Wanda und andere gefährliche Frauen

Histo Journal Besprechung: Gabriele Hasmann & Sabine Wolfgang – »Die wilde Wanda und andere gefährliche Frauen« – Verbrecherinnen über die Jahrhunderte

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

cover die wilde wanda und andere gefaehrliche frauen

Inhalt
Frauen sind zu keiner brutalen Tat fähig? Irrtum! Damen machen sich nicht gerne die Finger schmutzig, sie töten daher so leise und unblutig wie möglich? Falsch! Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts sind beim Lügen und Betrügen zwar raffiniert, aber nicht durchtrieben?
Stimmt nicht! In diesem Buch werden Verbrecherinnen aus Österreich vom 18. bis ins 20. Jahrhundert porträtiert. Einige ihrer Opfer wurden raffiniert ausgetrickst, andere gemein hintergangen und bestohlen und wieder andere haben ihre Bekanntschaft mit den verbrecherischen Damen sogar mit dem Leben bezahlt. Bei der Reise in die Abgründe der weiblichen Kriminellen begegnen uns nicht nur clevere Hochstaplerinnen und raffinierte Betrügerinnen, sondern auch sadistische Peinigerinnen und brutale Mörderinnen.

Ueberreuter Verlag
Hardcover
Sachbuch
192 Seiten
Preis: 18,00 Euro

Eine Leseprobe finden Sie auf der Website des Ueberreuter Verlags.

Das Frauen das zarte Geschlecht sind, widerlegen Gabriele Hasmann und Sabine Wolfgang eindrucksvoll mit ihrer Sammlung von Kriminalfällen in Österreich, bei denen Frauen die treibenden Kräfte waren.

Die Autorinnen stellen in ihrem Buch bekannte und unbekannte Verbrecherinnen vor, die vom 18. bis 20. Jahrhundert ihren Mitmenschen das Leben schwer machten, sie manchmal auch Leben zum Tode beförderten. Einzige Ausnahme, die noch in das 16. Jahrhundert zurückreicht, ist der bekannte Fall der Elisabeth Bathory, der 1611 der Prozess gemacht wurde und deren grausames Taten ihresgleichen suchten. Im 20. Jahrhundert ist die KGB-Agentin Edith Tudor-Hart bekannt geworden, die eine führende Rolle bei der Rekrutierung des Spionagerings Cambridge Five spielte und zum Beispiel auch Kim Philby anwarb, ein prominentes Mitglied dieser Gruppe.

Das Buch widmet sich 22 dokumentierten Kriminalfällen, die die Autorinnen jeweils vier Hauptmotiven zuordnen: Rache und Hass, Geltungsbedürfnis und Luxussucht, Habgier und Geldnot sowie Lust und Leidenschaft.
Dass die Fälle selbst jeweils nach dem gleichen Muster geschildert werden, bietet dem Leser wegen ihrer Vielzahl und Unterschiedlichkeit eine gewisse Orientierung: Zu Beginn jedes Falles steht eine Zusammenfassung, die einen Überblick über die jeweilige Person und den Kriminalfall gibt. In dem darauf folgenden ausführlichen Bericht kann der Leser den »Werdegang« der Täterinnen verfolgen, wie sie wurden was sie waren, wie sie vorgingen und zumeist auch, was aus ihnen geworden ist. Dabei zitieren die Autorinnen gelegentlich zeitgenössische Gerichtsakten oder Presseartikel. Ergänzt wird die Darstellung in einigen Fällen durch Abbildungen, im Falle Elisabeth Bathorys ein Gemälde, oder Fotografien, die dem Leser vor Augen führen, wie sehr das Äußere trügen kann.

Die verschiedenen Themenbereiche zeigen die Motive, aus denen Frauen lügen, betrügen oder sogar töten. Bemerkenswert ist allerdings der Einfallsreichtum, den die Frauen mitunter bei ihren Taten an den Tag legen, aber ebenso die Leichtgläubigkeit ihrer Opfer. Die wiederum aus Scham von einer Anzeige absahen, oder mit einer ungeheuren Raffinesse zur Tat schritten. Manchmal entbehren die Taten auch nicht einer gewissen Komik, obwohl es vermutlich den gesellschaftlichen Gepflogenheiten des 19. Jahrhunderts entsprach, dass Männer sich zu kostbaren Geschenken an eine Angebetete hinreißen ließen, die sie nie zu Gesicht bekamen. Dabei schildern die Autorinnen die Geschehnisse zwar kurz, aber sehr plastisch, so dass man glaubt, die Täterinnen tatsächlich ein wenig kennengelernt zu haben.
Sehr eindrucksvoll gelingt dies bei der Wilden Wanda, vielleicht, weil Gertrude Kuchwalek – so ihr richtiger Name, uns zeitlich am nächsten ist. Sie starb 2004. Wanda war eine der wenigen weiblichen Strizzis Österreichs, eine Zuhälterin. »Sie prügelte sich schon früh, allerdings fast immer nur mit Männern und ging dabei am liebsten gleich auf zwei oder drei gleichzeitig los. Vor allem bei Provokationen von Vertretern des ’starken Geschlechts‘ sowie im Liebesrausch vergaß sie stets alle guten Vorsätze, die sie unter Umständen kurz davor in Haft noch gefasst hatte.« Ihr Strafregister war lang, wegen Zuhälterei wurde sie allerdings nur ein einziges Mal verurteilt, eher brachte sie ihre Brutalität vor den Kadi. Und obwohl in dieser Zeit Gleichberechtigung von Mann und Frau erst zögerlich ein Thema wurde, pflegte sie einen exzessiven Lebensstil und sprach offen über ihre homosexuellen Neigungen. Als Galionsfigur der Feministinnen, so die Autorinnen, eignete sie sich jedoch wegen ihrer Gewaltbereitschaft nicht.

Fazit

Das Buch gibt einen Überblick über die spektakulärsten Kriminalfälle Österreichs, bei denen Frauen die Taten vollbrachten, oder zumindest federführend beteiligt waren. So mancher skurrile Fall lässt den Leser bei der Lektüre schmunzeln, wozu auch der deutliche österreichische Zungenschlag, zumindest bei den Preußen unter den Lesern, beitragen mag. Andererseits lassen manch grausame Taten die Leser erschüttert zurück.
Die kurzen Kapitel und abwechslungsreichen Fälle verschaffen eine kurzweilige Lektüre, auch wenn der Detailreichtum bei den Schilderungen recht unterschiedlich ist. Das könnte allerdings der Quellenlage geschuldet sein. Eine Quellensammlung ist jedenfalls zu jeder Täterin im Anhang zu finden, wo man sich auch mithilfe zahlreich vertretender Internetlinks die Fälle begutachten kann.
In dem Vorwort der Autorinnen heißt es zu Recht: »Beim Lesen kann man das Geschehen hautnah miterleben, zugleich taucht man ein in eine Zeit, in der vor allem Tristesse, Armut und der Wunsch nach ein bisschen mehr Glamour vorgeherrscht haben, sodass hier und da sogar ein wenig Verständnis für die Täterinnen aufglimmt. Zumindest für manche …«

Sabine Wolfgang

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Foto: Sabine Wolfgang © Jenia Hamminger

Sabine Wolfgang hat in Wien Publizistik und Kommunikationswissenschaften sowie Spanisch studiert. Nach Stationen im Tourismus sowie als Consultant in einer Kommunikationsagentur und einem internationalen Unternehmen ist sie seit 2010 selbstständige PR-Beraterin in Wien. Darüber hinaus war sie für zwei Magazine {Succeed Magazin und leben in Wien} als Redakteurin tätig.


Gabriele Hasmann

autor
Foto: Gabriele Hasmann © privat

Gabriele Hasmann wohnt in Baden bei Wien. Sie ist Journalistin, Autorin, selbstständige Ghostwriterin, Autorenmanagerin und erfahrene Spuk-Jägerin. Sie hat bereits zahlreiche Bücher bei Ueberreuter veröffentlicht, zuletzt erschienen: Spuk in Österreich, Spukguide Wien und Die Wilde Wanda und andere gefährliche Frauen. Website der Autorin: https://www.wunschtext.at