Das Echo der Toten

Buchbesprechung: Beate Sauer »Das Echo der Toten–«

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

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Inhalt

Mord im Hungerwinter
Echo der Toten. Ein Fall für Friederike Matthée {Friederike Matthée ermittelt 1}
Januar 1947: Über dem Land liegt eine Decke aus Schnee und Eis, zwischen Ruinen kämpfen die Menschen ums Überleben, als in der Eifel ein Mord geschieht. Richard Davies von der britischen Military Police soll das Verbrechen aufklären. Doch der einzige Zeuge ist ein sechsjähriger Junge, der sich weigert zu sprechen. Friederike Matthée von der Weiblichen Polizei in Köln wird Richard zur Seite gestellt. Sie kommt, wie der Junge, aus Ostpreußen und findet einen Zugang zu seiner verletzten Seele. Doch die Erinnerungen an die schrecklichen Erlebnisse während der Flucht sind noch so frisch, dass Friederike an ihrer Kraft zweifelt. Und Richard Davies muss mit Menschen zusammenarbeiten, die schwere Schuld auf sich geladen haben.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Ullstein Verlags.

Ullstein Verlag
Taschenbuch
384 Seiten
ISBN 13 9783548289571
13,00 Euro

Januar 1947, der Krieg ist seit knapp zwei Jahren vorbei, doch Frieden ist noch in weiter Ferne. Die Städte liegen in Trümmern, die Menschen kämpfen um ihr Überleben. Alles ist Mangelwaren, Lebensmittel, ein Dach über dem Kopf und Kohlen schwer zu bekommen.
Friederike Matthée, Polizeiassistentenanwärterin bei der weiblichen Kriminalpolizei hat es gut getroffen, durch ihre Arbeit hat sie ein kleines, aber regelmäßiges Einkommen. Und sie kann sich ein kleines Zimmer in der Kölner Südstadt leisten, in dem sie mit ihrer Mutter zusammen wohnt. Einziger Haken dabei: das Zimmer ist für städtische Angestellte und Beamte reserviert, und nun muss Friederike fürchten, auf der Straße zu stehen, denn sie lässt es im Dienst nicht nur an Disziplin fehlen, sondern hat auch noch bei einem Einsatz jämmerlich versagt. Als sie zu ihrer Vorgesetzten zitiert wird, fürchtet Friederike ihre Entlassung, denn ihre Vorgesetzte Gesine Langen kennt kein Erbarmen. Doch die überrascht sie, Friederike darf bleiben, vorerst. Dass sie gut mit Kindern umgehen kann und über gute Englischkenntnisse verfügt, rettet sie diesmal. Denn genau dies ist bei dem aktuellen Mordfall erforderlich. Ein Schrotthändler wurde in der Eifel ermordet aufgefunden und ein sechsjähriger Junge hat die Tat offenbar beobachtet. Friederike soll den Jungen, der seither verstummt ist, zum reden bringen. Da der Mann mit Waren aus britischen Beständen gehandelt haben soll, ermittelt die britische Militärpolizei, zu deren Unterstützung Franziska abgestellt wird.
Lieutenant Richard Davies von der Royal Military Police hat die Ermittlungen aufgenommen und Friederike fährt mit ihm in die Eifel, um den Jungen zu vernehmen.
Und Friederike ist fest entschlossen, ihre Chance zu nutzen und ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Schon allein aus existentieller Not heraus, darf sie ihre Stelle nicht verlieren.

Doch Friederikes aufrechte Haltung zwingt sie dazu, Vorschriften und Anweisungen zu ignorieren. Im Gegensatz zu ihrer Vorgesetzten Gesine Langen entdeckt der britische Militärpolizist zunehmend die Qualitäten, der Kollegin, wenn auch wiederwillig.
Der Todesfall in der Eifel, mitten im Winter, stellt alle Beteiligte vor besondere Herausforderungen. Die Eifeler erweisen sich als nicht sehr kooperativ, der Brite beobachtet seine Deutsche Kollegin mit Misstrauen, die Deutsche selbst muss sich gegenüber einem „Feind“ und zusätzlich in einer von Männern dominierten Domäne behaupten. Kälte herrscht, innerhalb und außerhalb der Menschen.
Krieg, egal ob man ihn gewinnt oder verliert, prägt alle Beteiligte. Jeder ist direkt oder zumindest indirekt von seinen Folgen betroffen. Das die Sieger nicht unbedingt glücklicher sind als die Verlierer, führt Beate Sauer durch die Kriminalgeschichte und allen beteiligten Personen eindringlich vor Augen. Kriminalgeschichte und persönliche Geschichte werden eng miteinander verwoben, die Entwicklung der Friederike Matthée folgt der Entwicklung der Ermittlungen. Sie wächst an ihren Aufgaben, trotz aller Rückschläge und Kriegsbeschädigungen. Sie bewahrt sich ihre Haltung und folgt ihrem Sinn für Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit, das wissen wir, hat mit Recht nicht immer etwas zu tun.
Beate Sauer schreibt ihre Geschichte aus der Sicht ihrer beiden Protagonisten Friederike Matthée und Richard Davis. Von Seite zu Seite enthüllt sie die Geheimnisse der Figuren, deren Vergangenheit jede auf unterschiedliche, besondere Weise geprägt hat. Sie schreibt ohne großes Pathos, dennoch sehr bewegend. Über große und kleine Ereignisse, die jedes auf seine Weise wichtig ist. Und das in jeder Hinsicht. Über etwas so alltägliches wie den Geschmack eines Stückes Schokolades freut sich der Leser, die Leserin ebenso mit Friederike, wie über die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse.

Fazit

Eine absolute Leseempfehlung, und zwar in vielerlei Hinsicht! Das spannende in „Echo der Toten“ ist nicht nur die Kriminalgeschichte um den erschlagenen Schrotthändler Jupp Küppers, sondern gleichermaßen auch die Sicht der Menschen aufeinander, der Blick der Siegers auf die Besiegten und umgekehrt, und die der Bewohner von Stadt und Land. Das ist sehr erhellend, und verdeutlicht die Folgen von Krieg auf sehr vielfältige und eindringliche Weise.

Das Thema des Romans sind die Anfänge der weiblichen Kriminalpolizei in Deutschland. Frauen, denen spezielle Qualitäten zugestanden wurden, durften sich – mit sehr eingeschränkten Kompetenzen – an der Polizeiarbeit beteiligen.

Über diese Entwicklung berichtet Beate Sauer in einem sehr informativen Nachwort, das unbedingt zur Lektüre empfohlen wird, ebenso wie auch der Gastartikel der Autorin in unserem Journal.

Siehe auch Gastbeitrag von Beate Sauer.