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Evangelio

In des Ketzers Kielwasser … –

Ausgerechnet ein Türke, ein Moslem, schreibt einen Lutherroman?, einen Roman über das Flaggschiff einer der großen deutschen Glaubensrichtungen, möchte man fragen … Aber ja, Christen schreiben ja auch über Mohammed und den Islam, warum also nicht ein Türke über eine christliche Religion? Vielleicht ergibt sich dadurch ja sogar eine neue, andere Sichtweise auf den Reformator, den wir alle doch quasi von klein auf so gut zu kennen glauben. Und Feridun Zaimoglu hat mit »Evangelio« den Versuch gewagt.

Wir schreiben das Jahr 1521, genauer gesagt geht es um den Zeitraum vom 4.5.1521 bis 1.3.1522. Es ist das Jahr, in dem Martin Luther auf der Wartburg sitzt. Er steht unter Bann, gilt als Ketzer und wird verfolgt. Nun wurde er in Gewahrsam genommen, nicht wirklich gefangen, eher zu seinem Schutz unter falschem Namen, als Junker Jörg, in Sicherheit gebracht. Wobei es de facto wohl auf eins hinausläuft, denn Luther darf bzw. kann die Burg nur unter Bewachung verlassen. Und sein Bewacher, oder Beschützer, wie man es nimmt, der Landsknecht Burkhard, ist ein überzeugter Katholik. Und dieser schlichte Gesell sieht das Wirken des Reformators mit Sorge, er fürchtet um sein Seelenheil und lässt den Leser an seinen Sorgen und Seelenqualen hautnah teilhaben.

Dem Buch vorangestellt ist ein Zitat Luthers: »Oft plagte mich der Satan durch seine Erscheinungen, ganz besonders auf jener Burg, in der ich eine Zeit lang gefangen gehalten wurde.« Dieses Zitat beschreibt nicht nur Luthers, sondern das Empfinden der Zeit allgemein – soweit wir es beurteilen können – sehr treffend. Dämonen sind es, die nach Luthers Seele greifen, die ihn ängstigen, quälen, darunter ein schwarzer Hund, der ihn beißt. Die Wunde ist real, also wird es der Hund ebenfalls gewesen sein, steht zu vermuten, jedenfalls was den heutigen Leser, die Leserin, betrifft. Anders bei den Menschen jener Zeit vor fünfhundert Jahren. Da war sowohl für den Reformator Luther als auch den gläubigen Papisten Burkhard die Gefahr, Opfer von dämonischen Angriffen zu sein, sehr real. Und diese Furcht war durchaus berechtigt, wie jeder gläubige Mensch zu dieser Zeit unter Eid bestätigt hätte. Die Magie von Geistern und Dämonen war omnipräsent, stand doch der sündige Mensch ohnehin stets mit einem Bein in der Hölle. Diese Stimmung, diese Furcht ums Seelenheil repetiert Zaimoglu in »Evangelio« in …

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