Ich Germanicus! Feldherr Priester Superstar.

»Kalkriese hat zurzeit ein Alleinstellungsmerkmal, da es der einzige Ort ist, an dem nennenswerte Funde vorliegen, die mit einem Schlachtfeld der ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte in Verbindung gebracht werden können.«* Stefan Burmeister, Ausstellungskurator

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

Buchbesprechung: »Ich Germanicus! Feldherr Priester Superstar«


Der römische Feldherr Germanicus zog mit acht Legionen und tausend Kriegsschiffen in Nordwestdeutschland ein. Rache nehmen, Feldzeichen zurückgewinnen, Arminius stellen und Germanien erobern – so lautete seine Mission. Seine Stellung als Feldherr, Augur, Thronanwärter, Familienmensch und Liebling des Volkes zeichnet das Porträt einer ungewöhnlichen Person und gewährt Einblicke in eine römische Kaiserfamilie, die vor nichts zurückschreckte. Doch was hat sich vor 2000 Jahren in Germanien abgespielt? Eine Rekonstruktion der Feldzüge offenbart die Organisation römischer Kriegsführung und beleuchtet die Ursachen für den Misserfolg. Archäologische Schlüsselfunde sind die in Kalkriese gefundenen Knochengruben – sie sind das einzige bisher bekannte archäologische Indiz für die Anwesenheit des Germanicus in Germanien.
Weitere Informationen zum Buch finden Sie auf der Website des Theiss Verlags.

{Klappentext des Buches}

Der Katalog »Ich Germanicus! Feldherr Priester Superstar« begleitet die gleichnamige Sonderausstellung im Museum und Park Kalkriese in Osnabrück. Die Ausstellung war bis zum 1. November 2015 zu sehen {siehe hierzu die Histo Journal Ausstellungsbesprechung}.

Das Cover des Katalogs – wie schon das Plakat zur Ausstellung – kommt verspielt daher. Abgebildet ist eine Büste des Germanicus, des vermeintlichen Superstars also. Auf seinem Kopf, seinem Gesicht und seinen nur angedeuteten Schultern zeichnet sich vage eine in knalligen Farben dargestellte Landkarte ab. Ein solches Cover mag nicht jedermanns Sache sein. Es passt aber zum Tenor der Ausstellung, die Germanicus vor allem als Feldherrn und Superstar inszenieren möchte. Germanicus blickt – so könnte man meinen – siegessicher gen Norden, als wolle er ausrufen »Nehmt euch in Acht, Germanen! Die Schonfrist ist vorbei!«.

Um es eines gleich vorwegzunehmen: Wer Aufsätze plus eine Auflistung plus detaillierte Beschreibung der ausgestellten Exponate erwartet, nun, der wird leider enttäuscht sein. Das ist bedauerlich, aber offenbar entspricht diese Form eines Kataloges dem Stil des Hauses {schon der Katalog »Mythos« zur Ausstellung »Imperium, Konflikt, Mythos. 2000 Jahre Varusschlacht« im Jahr 2009 enthielt bedauerlicherweise keinen detaillierten Exponatteil}. Gleichviel, präsentieren die Herausgeber Stefan Burmeister, der Ausstellungskurator, und Josef Rothmann mit »Ich Germanicus! Feldherr Priester Superstar« doch einen interessanten und an neuesten Forschungsergebnissen orientierten Aufsatzband. Für diese konnten so namhafte Wissenschaftler wie Werner Eck, Christiane Kunst oder Rainer Wiegels gewonnen werden.

Mit knapp 108 Seiten {DIN A4 Format} hält die Leserin, der Leser ein zwar schmales Bändchen in den Händen. Die Aufsätze erweisen sich indes als überaus lohnende Lektüre. Im Fokus steht natürlich die Germanienpolitik der Römer. Die Leser erhalten Einblicke in Themen wie Heereslogistik {Armin Becker}, die militärische Infrastruktur am Rhein {Werner Eck} oder über die Patchworkfamilie des Augustus {Christiane Kunst}. Aber der Band bietet weitaus mehr. Natürlich wird auch die altbekannte {und niemals zur Ruhe kommende} Frage »Ist Kalkriese wirklich der Ort der Varusschlacht?« gestellt und, soweit das möglich ist, anhand bisheriger Funde in Kalkriese zu beantworten versucht. Was, wie ich finde, dem Autor Stefan Burmeister – in aller Kürze des Artikels – durchaus gelingt. Darüber hinaus informiert der Band über gefundene »Krummstäbe« {Priester- und Herrschaftssymbol} in Kalkriese, Propaganda der Kaiserfamilie und die Germanienpolitik unter dem späteren Kaiser Tiberius.

Fazit
Interessierten, die sich einen ersten Überblick der aktuellen Forschungsergebnisse zum Thema verschaffen möchten – und gar einen Besuch in Dauerausstellung Kalkriese in Betracht anstreben! – sei dieser Aufsatzband wärmstens empfohlen.


*Zitat entnommen aus: Ich, Germanicus! Feldherr, Priester, Superstar. Theiss Verlag 2015. S.23