Buchbesprechungen, Neu, News

Sophie Seemann: Verschwundene Krankheiten

Sophie Seemann – »Verschwundene Krankheiten« –

Wenn wir etwas dieses Jahr nicht mehr brauchen, dann sind es Krankheiten. Nichts hat uns 2020 mehr beschäftigt als Infektionswege, Hygiene, Impfungen. Es wundert also nicht, dass dieses Buch der Kinderärztin und Medizinhistorikerin Sophie Seemann auf der Shortlist zum Wissenschaftsbuchpreis in Österreich stand. Und tatsächlich ist es auch tröstlich, in einem Buch zu lesen, wie die Menschheit immer wieder den Kampf aufgenommen hat gegen Krankheit und Gebrechen und wie unser Wissen über den Körper und seine Störungen dabei gewachsen ist.
Das Buch bietet eine alphabetische Auswahl an Krankheiten von »Alpenstich« bis »Versehen«, erhebt damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Gliederung ist leider eine Schwäche, denn es wird nicht unterschieden zwischen Krankheiten, die verschwunden sind, weil sie einer überkommenen Diagnostik angehörten {wie etwa das »Versehen«} oder weil sie ausgerottet wurden; weiterhin wird auch nicht unterschieden zwischen Infektionskrankheiten, Berufskrankheiten, Behinderungen und Modediagnosen. Der Vorteil ist aber, dass sich das Buch so recht abwechslungsreich liest und man ohne medizinische Vorkenntnisse einsteigen kann. Fachlich fundiert und trotzdem zugänglich und unterhaltsam zu schreiben ist eine Kunst, die Sophie Seemann zweifellos beherrscht. Jedem Kapitel ist eine kleine »erzählte Szene« voran gesetzt, leider nicht immer aus historischen Quellen sondern auch fiktiv gestaltet, aber so bekommt man einen lebendigen Eindruck vom Erleben der jeweiligen Krankheit.
Schon nach wenigen Kapiteln wird eines deutlich: Die größte Errungenschaft der Menschheit ist vermutlich nicht der Flug zum Mond oder das Internet, sondern die Entschlüsselung von wesentlichen Körperfunktionen und damit das Verständnis von Krankheit. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein machte man für Krankheiten ein Ungleichgewicht der Körpersäfte…

▹ Buchbesprechung lesen!