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Die Fremde

Die Erfindung der literarischen Doku-Fiktion –

Stefan Hertmans Geschichte spielt im ausgehenden 11. Jahrhundert und wie so oft zeigt sich an dieser historischen Schilderung, wie aktuell auch derartig lange vergangene Geschehnisse sein können. Erschreckend wenig hat sich in all der Zeit in der Menschenwelt verändert. Noch immer sind Menschen auf der Flucht, wegen Verfolgung, Krieg, oder materieller Not.

Der Hintergrund zu dem Roman »Die Fremde« ist Teil der Geschichte des Ortes, in dem Stefan Hertmans seit Jahren lebt, des Dorfes Monieux, mittelalterlich Moniou, am Fuße des Mont Ventoux im Süden Frankreichs. Es ist eine Geschichte, die Hertmans fasziniert und der er auf den Grund gehen will. Dabei lässt er den Leser teilhaben an seiner Herangehensweise, seiner Suche nach den Umständen, den historischen Fakten, aber auch dem Stoff, mit ein Autor die Lücken in der Überlieferung schließt. Eben dem Produkt der Recherche, das sich üblicherweise in einem Roman transformiert. Doch nicht in diesem Fall. Hier wird der Prozess zum Roman.

Zunächst zu der überlieferten Geschichte, um die es Hertmans geht: David und Vigdis Adelais – die später Hamutal genannt werden wird – müssen fliehen. In ihrer Heimatstadt Rouen hat sich die normannische Grafentochter trotz aller gesellschaftlicher Hürden, die junge Mädchen ihres Standes in ihrer Freiheit beschränken, in einen jungen jüdischen Gelehrten verliebt, in den Rabbinersohn David Todros. Ihr Vater, der schon andere Pläne für seine Tochter hat, wäre niemals mit ihrer Wahl einverstanden. Vigdis entscheidet sich dennoch für David, und damit für den jüdischen Glauben – und für die Flucht. Fortan ist sie eine Wanderin zwischen den Religionen, nicht mehr Christin, nicht wirklich Jüdin. Und letzteres sieht man ihr obendrein an, dieser blonden, blauäugigen Normannin. Je nach dem ist das von Nachteil, oder von Nutzen.

Zunächst sind es die Ritter ihres Vaters, vor denen sie fliehen müssen. Von Rouen geht es nach Narbonne. Es ist eine lange Strecke, von der Normandie bis nach Südfrankreich. Der Weg ist voller Gefahren. Die Beiden werden betrogen, verlieren ihre Habe, sind immer wieder auf Hilfe angewiesen. Schließlich überfällt sie eine Bande Strauchdiebe, David wird niedergeschlagen, Vigdis vergewaltigt, David wird zum Mörder. Traumatisiert wandern sie weiter, zu Davids Eltern nach Narbonne, die sie willkommen heißen. Dort finden sie Ruhe, Leib und Seele können genesen.
Nach einigen Monaten der Vorbereitungszeit tritt Vigdis endlich zum Judentum …

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