Zahltag – oder warum für Trump die amerikanische Geschichte keine 20 Dollar wert ist

Glosse von T. Schurkus

Zahltag – oder warum für Trump die amerikanische Geschichte keine 20 Dollar wert ist

Seit Monaten wird in den USA um die Ausgestaltung der 20-Dollar-Noten gestritten: Wer ist Harriet Tubman, die Trump nicht auf dem Zahlungsmittel sehen will?

»You want me to put that face on a 20-Dollar-Bill?«

Laut dem Enthüllungsbuch der Ex-Beraterin Newman soll Präsident Trump sich empört darüber gezeigt haben, dass das Porträt der schwarzen Bürgerrechtlerin Harriet Tubman ab 2020 auf die Vorderseite der 20-Dollar-Scheine gedruckt werden soll. Offensichtlich entspricht sie nicht seinen weiblichen Schönheitsidealen, und sehr viele andere Maßstäbe in der Beurteilung von Frauen scheint er nicht zu besitzen. Dabei hat er es auch Harriet Tubman zu verdanken, dass er Präsident der Vereinigten Staaten sein kann, denn sie leistete einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Erhaltung. In der Bevölkerung ist sie daher ähnlich bekannt wie der Freiheitsheld Paul Revere und setzte sich in einer online Abstimmung zur Frage, welches Frauenporträt auf die Vorderseite der Dollarnote soll, gegen zahlreiche Mitbewerberinnen durch. Sie steht für die einfachen Menschen, die, sobald die Freiheit bedroht ist, über sich hinaus wachsen, persönlichen Mut zeigen, moralische und religiöse Festigkeit. In der Civil Religion der USA werden sie vor allem in der Erziehung als Vorbilder für die jungen Staatsbürger eingesetzt, und Tubmans – oft mit Legenden – ausgeschmückte Lebensgeschichte fand sich daher schon im 19. Jahrhundert in Bilderbüchern und Schulfibeln. Auch der kleine Donald Trump wird daher schon in der Schule von ihr gehört haben. Als Präsident bekannt für seine komplexen und fachkundigen Analysen sagte er über sie: »I think, Harriet Tubmann is fantastic.« She did a good job. Very great. Usw. Aber Anerkennung hat sie dafür keine verdient, und auch damit setzt er eine Tradition im Umgang mit Tubman fort: Ihren Lebensabend musste sie überwiegend in Armut verbringen, da der amerikanische Staat ihr eine Rente verweigerte. Und nun soll sie also auch nicht auf die 20-Dollar-Note, obwohl die gravierten Platten auf dem Notenamt schon bereit liegen, weil es für Trump »pure political corectness« sei.
Wer ist also diese Harriet Tubman, über die in den USA ein Bilderstreit entbrannt ist?

Deckname »Moses«

Das genaue Geburtsjahr von Harriet Tubmann ist, wie bei vielen in der Sklaverei geborenen Menschen, nicht bekannt. Vermutlich war es 1822. In diesem Jahr lebten Trumps Vorfahren noch im Königreich Bayern, erst der Großvater erwirtschaftete in den USA ein Vermögen. Eine Rückkehr nach Bayern wurde ihm jedoch verwehrt: Er hatte sich dem Militärdienst verweigert, also gaben ihm die bayrischen Behörden kein Aufenthaltsrecht, und er musste mit seiner frisch angetrauten Frau zurück nach Amerika. Wären die Bayern großzügiger mit ihren Stempeln, würde Donald Trump vielleicht heute Weißwürste servieren.
Harriets Vorfahren ließ man keine Wahl: Sie wurden aus dem heutigen Ghana verschleppt.
Harriet wurde als Araminta Ross in Maryland geboren. Ihre Kindheit ist ein Szenario der Entrechtung und Misshandlung: Mit sechs Jahren galt sie als arbeitsfähig, musste auf ein weißes Wiegenkind aufpassen und wurde mit Peitschenhieben bestraft, sollte dieses Kind aufwachen und schreien. Als Teenagerin kontrollierte sie Fallen für Bisamratten in den umgebenden Sümpfen – etwas, das ihr später als Fluchthelferin zugute kommen sollte.
Vermutlich um 1844 heiratete sie den freien Schwarzen John Tubman, was an ihrem Status als Sklavin nichts änderte. Sie wurde von ihren Besitzern immer wieder verliehen. Als sie sich bei einer Gelegenheit weigerte, bei der Überwältigung eines entflohenen Sklaven behilflich zu sein, wurde sie von einem Bleigewicht so schwer am Kopf verletzt, dass sie sich einen Schädelbruch zuzog. Man brachte sie zu ihren Besitzern zurück und ließ sie dort unbehandelt liegen. Sie überlebte, hatte aber von diesem Zeitpunkt an Halluzinationen und Wachträume, die sie als religiöse Erlebnisse interpretierte. Sie war überzeugt davon, dass Gott sie und alle Sklaven in Freiheit sehen wollte und alle ihre Bemühungen unterstützen würde. Ein erster Fluchtversuch in den freien Norden scheiterte an der Unentschlossenheit ihrer Brüder. Sie setzte sich schließlich alleine nach Pennsylvania ab. Statt sich aber in Kanada in Sicherheit zu bringen, kehrte sie immer wieder nach Maryland zurück, um andere zu befreien, darunter auch viele Familienmitglieder. Ihr eigener Mann wollte ihr aber nicht folgen: Er hatte sich neu verheiratet.
Den Namen Araminta hatte sie inzwischen abgelegt und wurde als Harriet Tubman eine der bekanntesten Aktivistinnen der so genannten »Underground Railroad«, eines Netzwerks aus freien Schwarzen und Sklavereigegnern, die Entflohene versteckten, sie mit falschen Papieren ausstatteten und für ihre Weiterreise sorgten. Tubman wurde oft als »Moses of her people« bezeichnet, und der Legende nach sollen sich Sklaven mit Spirituals über den biblischen Befreier des Volkes Israel verständigt haben, wenn Tubman in der Gegend war. Sie nahm ein großes persönliches Risiko auf sich, wenn sie dorthin zurückkehrte, wo sie selbst gesucht wurde. Aber sie verstand es nicht nur, sich geschickt zu tarnen: Sie führte auch eine Waffe mit sich. Hätte man sie damit aufgegriffen, wäre sie gehenkt worden.

»Es waren tote Männer, die wir ernteten«

Die Erlebnisse ihrer eigenen Sklavenzeit hatten Tubman zu der Einsicht gebracht, dass dieses Unrecht nur mit Gewalt beendet werden konnte. Sie hatte am eigenen Leib erfahren, zu welch bestialischen Mitteln Sklavenhalter griffen, um ihre Recht durchzusetzen. Und auch im Norden war sie nicht sicher: Zwar hatten ihr Sklavereigegner dazu verholfen, ein kleines Stück Land im Staat New York zu erwerben, aber der Slave Fugitive Act sah vor, dass entflohene Sklaven aus jedem Teil des Landes zurückgeholt werden durften – ein einträgliches Geschäft für Sklavenfänger und das Ende der Idee von den »freien Staaten«.
Obwohl die Bundesgesetze seit Jahrzehnten die Interessen der Sklaven haltenden Staaten reflektierten, sagten diese sich 1860 aus der Union los, weil sie ihre »Lebensweise« bedroht sahen. Tubman war davon überzeugt, dass dieser Konflikt zum Ende der Sklaverei führen würde, auch wenn Präsident Lincoln erklärte: »Wenn ich die Union retten könnte, indem ich keinen Sklaven befreie, würde ich es tun. Könnte ich die Union retten, indem ich einige Sklaven befreie und andere in ihrem Platz belasse, würde ich es tun. Könnte ich die Union retten, indem ich alle Sklaven befreie, würde ich es tun.«
Tubman stellte sich von der ersten Stunde an in den Dienst der Unionstruppen, mal in der »klassischen« Rolle der Krankenschwester, mal in der weitaus gefährlicheren Aufgabe als Späher. Die kleine schwarze Frau, die es geschickt verstand, sich als Domestike auszugeben, kundschaftete Truppenstellungen und Marschrichtungen aus und löste in einem Fall eine Massenflucht von vielen hundert Sklaven aus. Die Presse im Norden berichtete euphorisch über ihre Heldentaten. Tubman aber sah sich im Dienst einer höheren Sache, 1863 erließ Lincoln endlich die Emanzipationsproklamation, die die Sklaverei in in den Vereinigten Staaten verbot. Mit der Niederlage der Südstaaten 1865 trat diese Verfügung auch dort in Kraft.

Geschichte kann man nicht »feuern«

1869 erschien die erste Biografie über Tubman, durchmischt mit Elementen der Folk Tales. Tubman lebte nun wieder in Auburn, New York und hatte zum zweiten Mal geheiratet, einen 22 Jahre jüngeren Veteran des Bürgerkriegs. Ihr Veteranenstatus wurde nicht anerkannt, da sie nie einen offiziellen Rang bekleidet hatte. Vergeblich bemühte sie sich um eine Rente, und obwohl sie sich die Anreise oft kaum leisten konnte, hielt sie Reden und Vorträge, um die politischen Ziele der Befreiten voran zu bringen. Oft berichtete sie von ihrem Einsatz im Bürgerkrieg, um das Wahlrecht für Frauen einzufordern, das ihnen unter Verweis auf ihre charakterliche Schwäche verweigert wurde. 1896 war sie an der Gründung der National Federation of African-American Women beteiligt.
Erst 1899 wurde ihre die lange ersehnte Rente zuerkannt. 1913 starb sie in dem Altersheim, das sie selbst auf ihrem Grundstück eingerichtet hatte. Sie wurde mit militärischen Ehren bestattet und mit zahlreichen Nachrufen gewürdigt.

Donald Trump verweigerte den Toten des Ersten Weltkriegs die Ehrung am 100. Gedenktag zum Kriegsende, weil es regnete. Bei anderen Gelegenheiten hat er sich über Kriegsversehrte lustig gemacht. Was Harriet Tubman wohl über solch einen Präsidenten gesagt hätte? Was er über sie sagte, wurde oben wider gegeben. Selbst konservative Kreise kritisieren ihn dafür: Für sie gehört Harriet Tubman zum nationalen Erbe, zwar sehen sie mehr die Kriegsheldin in ihr als die Bürgerrechtlerin, fordern aber ebenso ihren Platz auf der 20-Dollar-Note ein.
In den Kongresswahlen Ende 2018 hat sich aber gezeigt, dass Tubman und Trump die Menschen auf gleiche Weise inspirieren: Selten haben sich so viele Vertreter ethnischer Gruppen zur Wahl gestellt, selten so viele Frauen: Sie sind sowohl Erben Tubmans als auch Gegner Trumps. Mag er auch die Druckfahnen mit ihrem Abbild zurückhalten: Es ist immer noch wahrscheinlicher, dass ihr Bild auf die Dollarnoten kommt als das von Donald Trump. Aus der Geschichte kann man nämlich niemanden feuern.