Kultur in Zeiten der aktuellen Pandemie – Constanze Wilken

Auch im Jahr 2021 werden gerade Kulturschaffende die Auswirkungen der Pandemie spüren. Seit vielen Wochen finden keine Lesungen statt, sind Theater und Kinos geschlossen, gibt es weder Konzerte noch Festivals …
Wir wollten daher wissen: Wie erleben Schriftsteller*innen die aktuelle Zeit? Wie gehen sie mit dieser außergewöhnlichen Situation um? Wir haben u.a. Heidi Rehn und Peter Prange zu ihren Eindrücken befragt. In diesem Neujahrs Special meldet sich in den kommenden Tagen jeweils ein*e Schriftsteller*in zu Wort.


Die Autorin Constanze Wilken
© Constanze Wilken

Die Schriftstellerin Constanze Wilken

Histo Journal: Wie erlebst Du als Schriftstellerin diese Zeit?

Constanze Wilken: Glücklicherweise ist HomeOffice für mich Normalität, von daher gab es da keine Veränderungen. Das ist aber auch die einzige Konstante in dieser unruhigen, schwierigen Zeit. Mir fehlt die Möglichkeit des Reisens – nicht zum reinen Vergnügen, sondern der Recherche wegen. Für alle meine Romane reise ich an die Schauplätze. Derzeit schreibe ich unter meinem Pseudonym, Amelia Martin, über ein Londoner Auktionshaus. Auch da hatte ich Glück und war schon vorher oft in London, dennoch fehlt mir die Möglichkeit, spontan einer Quelle nachspüren zu können.
Das ist ein wichtiger Punkt – uns Menschen wurde die Spontanität, die Freiheit, wesentliche Entscheidungen selbst treffen zu können, genommen oder zumindest eingeschränkt. Dass man sich zum Wohle der Allgemeinheit richtig verhält, ist für mich selbstverständlich. Ich nehme die Stimmung bei vielen Menschen allgemein als gedämpft, teilweise traurig wahr. Nicht jeder hat das Glück, mit seiner Familie zusammenzuleben.

Histo Journal: Ausbleibende Lesungseinnahmen sowie z.B. das Absagen der Frankfurter und der Leipziger Buchmessen belasten eine ganze Branche. Was müssen Autor*innen jetzt tun, um ihre Existenz zu sichern?

Constanze Wilken: Wir arbeiten noch intensiver als sonst, kämpfen um neue Verträge, denn natürlich spüren die Verlage die abgesagten Buchmessen. Unserer Branche geht es jedoch besser als zum Beispiel den Musikern. Mein Bruder ist Jazzmusiker und lebt von Auftritten – er ist seit 1 Jahr ohne Einkommen. Von daher kann ich mich glücklich schätzen, mit meinen LeserInnen über die sozialen Medien in Kontakt bleiben zu können. Auch die Verlage haben viele spannende Ideen entwickelt, um Autoren und Leser online zueinander zu bringen.
In diesen Zeiten hat das Lesen einen neuen Stellenwert eingenommen. Mit einem guten Buch kann man dem Alltag, den Sorgen für einige Stunden entfliehen. Ich freue mich, wenn meine LeserInnen mir mitteilen, dass sie zumindest in Gedanken mit meinen Heldinnen nach Italien oder Schottland gereist sind. Und die geplante Reise wird dann aufs nächste Jahr verschoben.
Gerade zu Weihnachten sehe ich große Chancen für die Buchbranche – denn was gibt es schöneres, als ein gutes Buch zu verschenken?

Histo Journal: Angesichts des vergangenen Teil-Lockdowns und aktuellen Lockdowns – Welche Auswirkungen auf die Kulturbranche befürchtest Du angesichts dieser neuerlichen Beschränkungen und Einschränkungen?

Constanze Wilken: Die Auswirkungen für die gesamte Kulturbranche sind dramatisch. Musiker und viele Künstler, die gesamte Veranstaltungsbranche, leben vom direkten Kontakt mit dem Publikum, von live Auftritten. Theater, Opernhäuser, Kinos – um nur einige zu nennen, alle kommen an ihre Grenzen und viele mussten bereits die Segel streichen. Das ist bitter, und wir sind bei dem diskussionsbedürftigen „systemrelevant“. Kunst und Kultur sind ein Teil unseres Lebens, ein wichtiger, essentieller Teil. Es ist nicht allein die Vernissage oder das Konzert, sondern das soziale Miteinander, das dadurch entsteht, der intellektuelle Austausch. Museen und Theater sind ebenso relevant wie Fitnessstudios. Ich zitiere gern Til Brönner »Kultur ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht.«
Ich kenne viele Künstler, die um ihre Existenz kämpfen und kann nur hoffen, dass staatliche Hilfen endlich greifen, damit wir auch in der Zukunft all das, was selbstverständlich erscheint, genießen können.

Constanze Wilken, geboren 1968, wuchs in einem Küstenort an der Nordsee auf, studierte Kunstgeschichte, Politologie und Literaturwissenschaft in Kiel und lebte danach mehrere Jahre in England. An der University of Wales in Aberystwyth promovierte die Autorin, beschäftigte sich eingehend mit Antiquitäten und entdeckte ihre Liebe zum Schreiben. Wenn sie nicht für Recherchen auf Reisen ist, zieht Constanze Wilken sich zum Schreiben in die Abgeschiedenheit ihrer nordfriesischen Heimat zurück, wo sie mit ihrer Familie und ihren Hunden und Katzen lebt.

Im August 2021 erscheint unter ihrem Pseudonym Amelia Martin »Das Auktionshaus – Der Glanz Londons« im Ullstein Verlag.

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Das Geheimnis von Ardmore Castle
Ivy Ferguson ist Versicherungsdetektivin in London, ihr Spezialgebiet sind Möbel des 17. bis 19. Jahrhunderts. Als einer ihrer Kunden Zweifel an der Echtheit eines von einem schottischen Antiquitätenhändler erworbenen Sekretärs meldet, wird Ivy mit der Aufklärung des Falles beauftragt. Diese Aufgabe stellt sie vor eine große Herausforderung, denn der Antiquitätenhändler ist Ross MacKenzie, Herr von Ardmore Castle auf Skye. Ivy ist auf der Isle of Skye aufgewachsen, aber frühzeitig dem harten Inselleben entflohen, was ihre Eltern ihr nie verziehen haben. Nun kehrt sie auf die Insel zurück und muss sich nicht nur mit dem bärbeißigen und wenig kooperativen Schlossherren herumärgern, sondern sich auch noch den Vorwürfen ihres Vaters stellen. Einziger Lichtblick ist MacKenzies Neffe Calum, der sich um die Angelegenheiten seines kranken Onkels kümmert. Zwischen Calum und Ivy entwickelt sich schon bald eine zarte Romanze. Doch Ivys Recherchen zu dem Sekretär bringen ein ungeheuerliches Geheimnis zu Tage. Außerdem wird MacKenzie mit einem nie geklärten Mordfall in Verbindung gebracht …

Constanze Wilken im Histo Journal:
Interview – Constanze Wilken über »Das Erbe von Carreg Cottage«
Gastbeitrag – Camille Claudel
Gastbeitrag – MANET Sehen – Der Blick der Moderne
Hier gelangen Sie zur Website der Autorin Costanze Wilken.
Hier gelangen Sie zur Website der Autorin Amelia Martin.

Morgen: Der Autor Peter Prange