Seelenfeuer

Buchbesprechung: Cornelia Haller »Seelenfeuer«

Histo Journal Special: Cornelia Haller – Teil 3

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

»Euer Mitgefühl ist völlig unangebracht. Ihr solltet nicht vergessen, dass wir es hier mit einer Hexe zu tun haben.« {S. 408}


»Seelenfeuer«
Cornelia Haller

Heilerin oder Hexe?
1483. Die junge Luzia Gassner kehrt mit gemischten Gefühlen als neue Hebamme in ihre Heimatstadt Ravensburg zurück. Einerseits freut sie sich auf ihren Onkel Basilius, einen Apotheker, andererseits sind ihre Erinnerungen an ihre Kindheit keineswegs angenehm. Als uneheliches Kind mit roten Haaren wurde sie als »Kind der Wollust« verschrien und vom Kaplan trotz ihrer Wissbegier in der Schule schikaniert. Bei ihrer Arbeit verlässt sie sich nicht auf Gebete, sondern auf Kräuterheilkunde und ihren medizinischen Sachverstand. Damit fordert sie jedoch den Hass des mächtigen Kaplans Grumper heraus. Als ein Unwetter die Stadt verwüstet und die Einwohner von Hungersnot und Pest heimgesucht werden, ergreift Grumper die Gelegenheit, Luzia der Hexerei zu bezichtigen …

Luzia Gassner führt ein behütetes Leben bei ihrer Tante und ihrem Onkel in Seefelden am Bodensee. Sie ist jung und wissbegierig. So oft sie kann sucht sie Pater Wendelin auf, der sie in Kräuterkunde unterrichtet. Von ihm erwirbt Luzia ihr breites Wissen über Pflanzen und deren besondere Heilwirkung für den Menschen. Ein Wissen, das sie als Hebamme zu nutzen weiß. Eines Tages trifft ein Brief ihres Onkels Basilius, eines Apothekers aus Ravensburg, ein. Er unterrichtet seine Nichte über den Tod ihrer Mutter, die Hebamme der Stadt gewesen war. Darüber hinaus bittet Basilius die junge Frau nach Ravensburg zu kommen, um dort als Hebamme zu arbeiten. Luzia nimmt das Angebot an, auch wenn sie nicht eben gute Erinnerungen mit dieser Stadt verbindet. Allen voran Kaplan Grumper. Auch der, so stellt sich schon bald heraus, hat die rothaarige Luzia nicht vergessen. Jenes Balg, welches ihn coram publico beschämte. Wagte sie es doch ihn im Unterricht zu korrigieren. In Ravensburg können sich viele an Luzia als das Mädchen mit den fuchsroten Haaren erinnern. Sie sind zunächst skeptisch. Allen voran Grete, die bei Geburten anwesend ist und bei Komplikationen ein Paternoster betet, derweil das Ungeborene stirbt. Luzias Hebammenkünste sind in ihren Augen nichts weiter als »Zauberei« {S. 121}. Neben ihrem Onkel fasst Luzia Vertrauen zu dem Medicus Johannes von der Wehr und verliebt sich in ihn. Wenig später fegt ein Unwetter über die Stadt. Die anschließende Hungersnot lässt nicht lange auf sich warten. Den Bürgern ist klar – hier muss der Teufel seine Hände im Spiel haben! All das muss das Werk von Hexen sein. Auf Betreiben des Kaplans eilt sodann Heinrich Kramer nach Ravensburg. Er will Luzia der Hexerei überführen und es ist mehr als fraglich, ob es dem Arzt Johannes von der Wehr gelingt seine Luzia aus den Fängen des päpstlichen Inquisitors zu befreien …

Katzenminze, Andorn und Eberraute – der Garten des Walahfrid Strabo

Gekonnt verknüpft Haller die Geschichte ihrer fiktiven Figur Luzia mit den damaligen Ereignissen in Ravensburg. Die Stadt Ravensburg habe sie gewählt, »weil sich dort nachweislich 1483/84 die erste, systematisch durchgeführte, Hexenverfolgung ereignete. Quellen belegen, dass Heinrich als Inquisitor von ganz Oberdeutschland im Herbst 1484 in Ravensburg und in der gesamten Diözese Kostanz seine Macht erprobte und anschließend den Hexenhammer {lt. Malleus Maleficarum} verfasst hat.« Ihren Lesern führt Haller die historisch verbürgte Person des päpstlichen Inquisitor eindringlich vor Augen. Immerhin brüstet sich der ambitionierte Dominikaner in seinem späteren Bestseller allein in der Diözese Konstanz achtundvierzig Frauen als Hexen verbrannt zu haben. Es ist bekannt, dass Kramer frauenfeindlich eingestellt war und auch Haller lässt daran in ihrem Roman keinen Zweifel aufkommen.

Packend und einfühlsam

Zugegeben, es mag schönere Themen als das der Hexenverfolgung inklusive Tortur und Scheiterhaufen geben. Aber Cornelia Haller erzählt so packend und gleichzeitig so einfühlsam, dass der Leser einfach wissen will was mit Luzia geschehen wird. In »Seelenfeuer« taucht der Leser in eine fremde Welt ein, in der ein einziges Unwetter in den menschlichen Köpfen Angst und Groll gepaart mit einer tiefen Furcht vor Hexen und Dämonen auslösen kann. Verunsicherte Menschen, die nach einem ›Schuldigen‹ suchen und solchen, die die Angst dieser Menschen für eigene Ziele auszunutzen wissen und eben diesen Schuldigen präsentieren. Wohl durchdacht verwebt Haller fiktives und reales miteinander. Und ganz gleich, ob es sich nun jenes Unwetter, die Kräuterheilkunde oder die Hexereiprozesse des Heinrich Kramers handelt – Cornelia Haller lässt all diese historische Fakten vollkommen mühelos in die Geschichte einfließen. So erfährt der Leser ganz nebenbei Wissenswertes über den Garten des Walahfrid Strabo, welches Rezept die heilige Hildegeard bei husten und Brusthitze empfahl oder welche gesellschaftlichen Strukturen innerhalb einer frühneuzeitlichen Stadt wirken.

Fazit:

Mit »Seelenfeuer« ist Cornelia Haller ist ein packender Debütroman gelungen. Haller erzählt Luzias Geschichte so mitreißend und sprachlich so versiert, als habe sie ihr Lebtag nichts anderes getan als Romane zu schreiben. Hier stimmt alles: Plot, Figuren, Handlung, Handwerk.
Wer vor dem Regal in der Buchhandlung steht sollte unbedingt nach »Seelenfeuer« Ausschau halten, es mitnehmen und lesen!


Zitate entnommen aus {HC}: Seelenfeuer, Cornelia Haller, Hoffmann und Campe Verlag 2012.