Im Feld – Wie der Grabungsalltag wirklich aussieht

Histo Journal Besprechung: Antike Welt Sonderheft 9/20 – »Im Feld – Wie der Grabungsalltag wirklich aussieht«

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

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Inhalt
Begleiten Sie Archäologinnen und Archäologen bei ihrer Forschung »zu Erde, zu Wasser und in der Luft«. Wie sieht eigentlich der Alltag der Archäologinnen und Archäologen sowie von den zahlreichen anderen Fachleuten auf Ausgrabungskampagnen, Surveys oder bei anderen archäologischen Projekten aus? Wir folgen 24 internationalen und interdisziplinären Teams »ins Feld«, in die Grabungshäuser, Zelte und Labore, um hautnah die wissenschaftlichen, logistischen, aber auch menschlichen Herausforderungen bei der Arbeit mitzuerleben. Neben den alltäglichen Begleiterscheinungen der Forschung unter extremen Bedingungen werden auch die verschiedenen methodischen Herangehensweisen vorgestellt. Archäologie ist echtes Teamwork.

WBG Zabern
9/2020
ANTIKE WELT
Preis: 15,00 Euro

Eine Leseprobe finden Sie auf der Website des WBG Zabern Verlags.

Erwartungshaltung – Einblick in den Grabungsalltag

Es ist eine vollmundige Ankündigung auf dem Titel dieses Sonderheftes der Antiken Welt, einer Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte. Sie weckt Erwartungen auf besondere Erkenntnisse, Blicke in die Grabungsprozesse, die ein Besuch einer öffentlich zugänglichen Grabung nicht mehr wiedergeben kann.

Das Inhaltsverzeichnis verspricht Einblicke in internationale Grabungen, von Deutschland, Österreich und der Schweiz bis hin zum nahen und fernen Osten, über Israel bis Nordafrika, ja sogar bis Peru. Die Zeitspanne der Fundstätten geht von der Steinzeit bis zur Eisenzeit im weitesten Sinne.

Voller Spannung erwartet man sich durch die Lektüre Erkenntnisse, die sich dem Besucher einer öffentlich präsentierten Ausgrabung nicht erschließen. Also Einblicke in den Prozess, sowohl des handwerklichen als auch dem des Erkenntnisgewinns.

Schattige Plätzchen, Essen und Tee …

Leider wird das Heft diesen Erwartungen nicht gerecht. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind die Beiträge recht kurz, keiner umfasst mehr als 3 bis 4 Seiten, wobei die Hälfte von Fotos gefüllt ist. Da ist kaum Platz für tiefergehende Darstellungen. Auch ist die Qualität der Beiträge, meist von den jeweiligen Ausgrabungsleitern geschrieben, sehr unterschiedlich. Ein Lektorat hat offenbar nicht statt gefunden, so dass Fehler das Lesevergnügen stark mindern. Die Fotos sind auch schon einmal doppelt und im Bund gesetzt, und auf den wenigsten ist viel von der Ausgrabung selbst zu erkennen. Aber wirklich schade ist es, dass man entgegen der Titelankündigung, leider so gut wie nichts über den Grabungsalltag erfährt, also das Graben und Auffinden von Relikten aus der Vergangenheit und den Umgang damit, beziehungsweise die Anforderungen, Ausstattung und mögliche Beschwerlichkeiten. Statt dessen, und das betrifft fast alle Texte, erfährt der Leser ausführlich über die Freizeit, Essensbeschaffung oder Ausflüge in die Umgebung. In den Beiträgen der ersten Hälfte des Heftes, so der Eindruck, kann nicht gegraben werden, weil die Archäologen und Helfer mit der Essensbeschaffung oder der Organisation der Unterbringung ausgelastet sind. Nur einige wenige Beiträge gewähren einen tieferen Einblick, in der ersten Hälfte waren es zwei oder drei von den elf. Das ist dann doch enttäuschend wenig.

Fazit

Das wichtigste bei einer Ausgrabung scheint ein Tee-Stand, ein Markt und die schöne Aussicht des Arbeitsplatzes zu sein. Sehr schade! Wie spannend und aufschlussreich hätte das Heft sein können, wie horizonterweiternd, und wie erhellend für diejenigen, die bei »Archäologen« sofort an Indiana Jones denken. Nach der Lektüre dieses Sonderheftes denkt man bei Archäologen statt dessen an schattige Plätzchen, Essen und Tee. Tee und frisches Gemüse ist auch wichtig, keine Frage, aber dann hätte der Titel des Heftes vielleicht besser: »Archäologie – Abseits vom Grabungsalltag« gelautet.