Die Ladys von Somerset

Histo Journal Besprechung: Julie Marsh »Die Ladys von Somerset – Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich«

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

Inhalt:

Lords, Ladys und die große Liebe

London, 1807: Als die theaterbegeisterte Emma in eine Notlage gerät, muss sie sich von Lady Darlington als Gesellschafterin anstellen lassen. Die Lady will ihre Tochter Anthea mit dem reichen Nachbarn Mr Livingston verheiraten – ausgerechnet mit Emmas Hilfe. Leider scheint sich Anthea mehr für den berüchtigten Dandy Ambrose Beauchamp zu interessieren als für den Nachbarn. Geschickt versucht Emma daher mit einem Theaterstück der Liebe auf die Sprünge zu helfen. Während der Proben wird es immer schwieriger, zwischen gespielter Liebe und echten Gefühlen zu unterscheiden. Nicht zuletzt für Emma selbst, deren eigenes Herz unberechenbar auf den Dandy reagiert.

Eine humorvolle und atmosphärische Liebesgeschichte mit einer unwiderstehlichen Heldin – erfrischend modern und so charmant wie ein Roman von Jane Austen.

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Romane und Verfilmungen von und à la Jane Austen sind dieser Tage besonders en vogue. Denken wir nur an die letzten Austen Neuverfilmungen ›Emma‹ oder ›Persuasion‹. Oder denken wir an die TV Serie ›Bridgerton‹. Mag das Setting auch 200 Jahre vor unserer Zeit liegen, die jeweils erzählten Geschichten muten modern und aktuell an.

Strong tea and scandal – bless me, how refreshing.

Mr. Garrick in der Vorrede zu »School of Scandal« von Richard Brinsley Sheridan

Dieses Zitat hat Marsh ihrem Roman vorangestellt und es zeigt der geneigten (und gleichwohl der informierten) Leserschaft an, was eben diese im Folgenden zu erwarten hat.
Wer weder mit dem Namen Garrick noch Sheridan gerade nichts anzufangen weiß, aber etwas über sie erfahren möchte, liest kurz hier1 nach. Wer das nicht möchte … so sei es.

Mich hat(te) Julie Marsh mit diesem Zitat gleich eingefangen, schürte sie doch meine Vorfreude auf das Kommende.

»Ich bin keine Kupplerin.«

Emma Smart, Die Ladys von Somerset, S.120

Wie wahr, möchte ich Emma beim Lesen dieser Zeile zurufen. Nein, Emma ist keine Kupplerin. Sie schreibt Theaterstücke, natürlich nicht unter ihrem Namen, aber eine Kupplerin ist sie gewiss nicht. Aber ach, Emma Smart, die Heldin dieser Geschichte, wird von Lady Darlington geradezu in diese Rolle gedrängt. Obwohl die kapriziöse Lady Emma eigentlich als Gesellschafterin für ihre Tochter engagiert hat …

Und das alles nur, weil Emmas Oheim, ein ambitionierter Sammler edler Tabakdosen und säumiger Schuldner, von jetzt auf gleich in die Fleet geschleppt worden ist und sie ihn von dort freikaufen muss. Genau das ist Emma indes mangels Vermögen nicht möglich, weshalb sie sich überhaupt erst bei der blasierten Lady Darlington in Somerset verdingen muss (»Sagten Sie Shakespeare? Der, der die Bücher geschrieben hat?«). Natürlich ahnt die Lady nichts von Emmas künstlerischen Ambitionen. Ihr geht es nur um eines; ihre Tochter Anthea soll profitabel unter die Haube respektive an den wohlhabenden Lord Livingstone gebracht werden. Doch hier, auf dem Landsitz der narzisstischen Lady flankiert von ihrem unerzogenen Mops Muzzle, sieht sich Emma sozusagen außerstande ihren ›Auftrag‹ zu erfüllen. Zumal der bekannte Dandy Ambrose unentwegt Emmas Pläne kreuzt.

Eine Heldin zum Verlieben

Emma Smart ist eine hinreißende Heldin. Ihre ungelenken Versuche sich mit ihrer neuen Rolle als Gesellschafterin respektive Kupplerin zu arrangieren, bringen sie Seite um Seite in neue Schwierigkeiten. So zeigt Anthea nicht das geringste Interesse an Lord Livingstone, der zwar vermögend, aber fürchterlich langweilig ist. Ob Emmas Idee, die vermeintlichen Turteltauben mittels eines romantischen Theaterstücks einander näher zu bringen, mehr Erfolg verspricht?

Ambrose Beauchamp, ein in London berüchtigter Dandy, torpediert Emmas Bemühungen, indem er Anthea hofiert und den Lord düpiert. Zu ihrem blanken Entsetzen bereitet dem Dandy das auch noch Freude. Und so liefern sich Emma und Ambrose von Beginn an funkensprühende Dialoge. Emma findet den Beau fürchterlich und anziehend zugleich. Eine für ihren Seelenfrieden eher suboptimale Kombination.

Lady Darlington ist in ihrer blasierten Ignoranz und in ihrem unreflektierten Snobismus unübertroffen. Gemeinsam mit ihrem Mops Muzzle gehört sie zu den Figuren im Roman, die für fortwährendes Amüsement sorgen. (»Das wird eine Ruine, damit wir beim Spaziergehen etwas zu besichtigen haben.«, S. 71)

Nach der Aufführung des Theaterstücks spitzen sich die Ereignisse indes gewaltig zu. Plötzlich ist alles anders. Und, so viel sei verraten, Lady Darlington ist not amused.

»Die Gesellschaft ist unserem Geschlecht gegenüber ungerecht, das sie uns keine freie Wahl lässt.«

Die Ladys von Somerset, S. 35

Trotz aller Leichtigkeit, die diesem Roman anhaftet, serviert uns Marsh mit ihren Ladys keine weichgespülte Romanze. Kritik an den bestehenden, gesellschaftspolitischen Strukturen fädelt Marsh wohldosiert in die Handlung ein. Seien es nun luxuriöse Seidentapeten, das Los der Unterprivilegierten, künstlich errichtete Ruinen in der Landschaft oder die Stellung der Frau in der Gesellschaft.

In bester Jane Austen Manier rückt Marsh die Situation von Emma, Anthea und Frances, der jüngsten Darlington-Tochter, in den Fokus. Nicht von ungefähr gehört Aphra Behn zu Emmas Lektüre. Behn, von ihr stammt das oben genannte Zitat, wusste ziemlich genau, wovon sie spricht. Denn sie ging einen für Frauen nicht vorgesehenen Weg und schrieb Theaterstücke, gegen alle Widrigkeiten, die ihr die strengen Gesellschaftsregeln auferlegt hatten. In ihr findet Emma ihr Vorbild. Sie will, letztlich wie Behn oder Mary Wollstonecraft, ein selbstbestimmtes Leben führen.

Die Ladys von Somerset als Hörbuch

Erfreulicherweise sind die Ladys auch vertont worden. Das Hörbuch hat Karoline Mask von Oppen souverän eingelesen. Ich finde, ihre warme, sanfte Stimme passt hervorragend zur Geschichte. Emma & Co. erwachen somit auch im Ohr zum Leben.

Fazit

Julie Marshs Roman »Die Ladys von Somerset« ist eine unterhaltsame wie kurzweilige Zeitreise in das England der Regency-Zeit. Seite um Seite kreiert Marsh einen köstlichen Reigen aus amüsanten Verwicklungen aller Art inklusive überraschender Wendungen um die angehende Theaterautorin Emma Smart.

Bei Marshs Ladys stimmt einfach alles: Das englische Jane Austen Setting (inklusive vieler Anspielungen auf Austens Romane), das illustre Figurenensemble, die kritischen Zwischentöne, die geistreichen Dialoge und die feine Prise Ironie. Nicht zu vergessen, der ›refreshing, indeed‹ Moment. Well done, Julie Marsh.

Die Autorin


Die Autorin Julie Marsh
© Eva Mittmann

Wenn Julie Marsh nicht gerade mit ihrem Büchereibus durch die grüne Landschaft Somersets fährt, um Leserinnen und Lesern die Romane Jane Austen näherzubringen, oder in ihrem Cottage-Garten im Dörfchen Hinton St. George Blumen und Gemüse anbaut, schreibt sie von ihrem großen literarischen Vorbild inspirierte Geschichten über Liebe und andere Katastrophen.

Julie Marsh ist auf Instagram.

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  1. Wer sich irgendwann einmal mit der Regency-Zeit beschäftigt (hat), dem werden beide Namen über den Weg gelaufen sein. Sheridan folgte Garrick als Theaterdirektor des Theatre Royal Drury Lane (er kaufte es später sogar). Zudem meinte Sheridan zu Austens Roman »Stolz und Vorurteil«, es sei eines der geistreichsten Bücher, die er je gelesen habe. – Noch bevor Marsh also den Vorhang zum ersten Akt hebt, erweist sie eine ebenso charmante wie subtile Referenz an besagtes Theater der Regency-Zeit, Sheridan und Garrick und – wie sollte es anders sein? – an Jane Austen. ↩︎