Die Jagd nach dem Brot

Buchbesprechung: Stefan Schröder »Die Jagd nach dem Brot«

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

Inhalt

Das Jahr 5.500 v. Chr. im heutigen Norddeutschland. Der junge Häuptlingssohn Kierk, ein unermüdlicher Waldläufer aus dem Jäger- und Sammlervolk der Gojdo, wird von seinem Stiefbruder im Wettstreit um die Liebe der Tochter des Feuerwächters verraten und muss aus dem Stammesgebiet fliehen. Fremde, Siedler, die als Bauern und Viehzüchter auf der Suche nach fruchtbarem Ackerland sind, finden ihn schwer verletzt. Sie nehmen ihn mit in ihre Siedlung im Süden und pflegen ihn gesund. Ein benachbarter Ackerbaufürst hat den jahrhundertelangen Frieden unter den Siedlern gebrochen und sich mit einem Jägervolk, den Erzfeinden der Gojdo, verbündet. Es kommt zum ersten Krieg in Nordeuropa. Kierk muss lernen, ein Anführer zu sein und er muss sich zwischen der Tochter des Feuerwächters und der Tochter des Ackerbaufürsten entscheiden.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Istolé Verlags.

Taschenbuch
260 Seiten
ISBN: 9783910347069
16,00 Euro


Es ist eine interessante Zeit, in der Stefan Schröder seinen Roman ansiedelt. Denn es beginnt ein Phänomen, dem wir auch heute wieder gegenüber stehen: Um 5.500 v. Chr. wandelt sich das Klima, es wird wärmer. Damit beginnt (nicht nur) in Mitteleuropa ein Prozess, der durch seine Folgen die Welt bis heute verändert hat. Und so hat der Roman, obwohl er in einer Zeit spielt, die über 7000 Jahre zurückliegt, brisante Aktualität.

Die Tier- und Pflanzenwelt passt sich dem Wandel an. Somit verändern sich auch die Lebensumstände, und damit auch die Lebensgewohnheiten der Menschen. Es sind Jäger und Sammler, die sich nun dem neuen Wildangebot anpassen müssen. Das gewohnte Wild zieht sich in den Norden zurück, Wälder entstehen, wo vorher Steppe war, die Gewässer werden fischreicher, Waldtiere breiten sich aus. Rohstoffe werden knapper, so werden die aus Feuerstein gefertigten Klingen kleiner, aber auch vielfältiger, denn die Waffen müssen sich der Jagdbeute anpassen. Und die Menschen beginnen, länger an einem Ort zu verweilen. In dieser Zeit wandern auch immer mehr Ackerbauern und Viehzüchter in Europa ein, und damit beginnt der eigentliche Wandel, der die Welt bis heute prägt. Sind die Jäger und Sammler noch in kleinen Verbänden unterwegs, auf der Spur des Wildes, siedeln die Ackerbauern zwangsläufig in der Nähe ihrer Felder. Und die sind auf fruchtbare Böden angewiesen, die in Mitteleuropa nur begrenzt vorhanden sind.

Siedlungsspuren aus dieser Zeit befinden sich ausschließlich auf Lössböden. Es liegt auf der Hand, dass es aufgrund der begrenzten Fläche bei zunehmendem Nachzug von Siedlern zu Konflikten kommt. Ganz abgesehen davon, dass Vieh und Getreide als lagerfähige Lebensmittel einen Wert darstellen, der Begierde wecken kann.

In dieses Spannungsfeld versetzt Stefan Schröder seinen Helden Kierk, der als Jäger und Sammler mit dem neuen Lebensstil der Ackerbauern und Viehzüchter konfrontiert wird. Und in einen Konflikt hineingezogen wird, der sich von den gewohnten Auseinandersetzungen unter seinesgleichen fundamental unterscheidet.
Stefan Schröder schreibt laut Klappentext Abenteuergeschichten für Jung und Alt. Aber er ist auch ein Kenner von Landwirtschaft und Umwelt, für seine Forschungsarbeit zum Schutz der Artenvielfalt erhielt er den internationalen Ebbe Nielsen Prize. So wundert es nicht, dass er einen Abenteuerroman vorlegt, in dem auch der sich aus verschiedenen Gründen wandelnde Lebensraum ein großes Thema ist. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die Menschen und ihre Lebenswelt?

Das ist die Frage, der Stefan Schröder mithilfe seines Helden Kierk nachgeht. Kierk wächst in der Familie seines Stiefvaters auf. Sein Vater war Häuptling, und wurde bei einem Kriegszug hinterrücks ermordet. Als seine Mutter bei der Geburt seines Halbbruders stirbt, ist er der Missgunst seiner Stieffamilie hilflos ausgeliefert. In seiner Sippe wird er zum Außenseiter. Bei einer missglückten Jagd nutzt sein Stiefbruder die Gelegenheit, seinen Bruder zu verleumden. Er trüge die Schuld daran, dass das Wild entkommen wäre, die Sippe somit ohne Vorräte durch den Winter kommen müsste. Kierk wird zum Ausgestoßenen, eigentlich ein Todesurteil. Doch Kierk überlebt. Siedler finden ihn und pflegen ihn gesund, nicht ohne Hintergedanken. Denn nicht nur Jäger und Sammler haben Feinde in Form rivalisierender Sippen, sondern die Siedler müssen sich gegen Konkurrenten um die guten Ackerböden behaupten. Sie liegen im Streit mit einem benachbarten Ackerbaufürsten, der sich mit einer Sippe von Jägern und Sammlern verbündet hat. Und diese sind auch die Feinde der Gojdo, Kierks Leuten. Eine abenteuerliche Geschichte nimmt ihren Lauf, hinein in die erste große kriegerische Auseinandersetzung der Menschheit.

Aber zuerst lernt Kierk das Leben der anderen kennen. Brot und Bier jedenfalls weiß er auf Anhieb zu schätzen. Allerdings beobachtet er die Veränderungen der Natur mit Sorge, das Schwinden der Wälder, die dem Ackerbau weichen mussten, die Verschmutzung der Gewässer durch Bodenerosion. Diesen Wandel erfährt der Leser mit den Augen des Jäger und Sammlers, der das Für und Wider abwägen muss und doch erkennt, dass die Welt im Begriff ist, für immer eine andere zu werden. Und dass es nicht darum geht, ob man damit leben will, sondern wie man darin überleben kann.

Die Geschichte ist sehr kurzweilig zu lesen. Nicht von Ungefähr kommen Parallelen zu der Besiedelung Amerikas in den Sinn. Geschrieben ist das Buch in eher schlichter Sprache, und man darf sich an gelegentlich auftauchenden modernen Ausdrücken nicht stören. Beispielsweise wenn Entfernungen in Kilometern angegeben werden, das Adrenalin durch die Adern rauscht oder ein okay als Antwort gegeben wird. Dass der Autor ein profunder Kenner der Umweltproblematik ist, macht sich gelegentlich durch etwas fachbuchartige Exkurse bemerkbar. Da das Thema aber aktuell und hochinteressant ist, stört es das Lesevergnügen nicht nachhaltig. Fachlich ist der Roman gut recherchiert, nach eigenen Angaben stützte sich der Autor auf die kundige Hilfe einer Archäologin. Mit seinem Roman gibt Stefan Schröder eine gute Möglichkeit, einen Einblick in diese Zeit zu gewinnen, und ihre Herausforderungen, vor denen die Menschen damals standen.

Fazit

Ein spannend zu lesender Abenteuerroman, der in einer Zeit gewaltiger Umwälzungen spielt. Allein dadurch verdient er Beachtung, denn das Thema »Vom Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Viehzüchter« und was dieser Umbruch für die Menschheit bedeutet, bietet ja eine reich sprudelnde Quelle an Geschichten. Durchaus ein Roman für Jung und Alt, wie es der Klappentext verspricht.

Der Autor

Dr. Stefan Schröder schreibt Abenteuergeschichten für Jung und Alt zu Umwelt- und Gesellschaftsthemen. »Die Jagd nach dem Brot« ist sein Debütroman. Die Idee zur historischen Einbettung ist ihm durch sein Hobby der Archäologie und sein umfangreiches Wissen zu Landwirtschaft und Umwelt gekommen. Das Ergebnis ist die Geschichte eines ›letzten Mohikaners‹, die sich nicht auf dem nordamerikanischen Kontinent, sondern mit großen Parallelen in unserer Heimat abspielt. Für seine Forschungsarbeiten zum Schutz der Artenvielfalt wurde dem Autor im Jahr 2003 der renommierte Ebbe Nielsen Prize verliehen.