Der Kaufmann und die Unbeugsame von Daniela Wander

Buchbesprechung: Daniela Wander »Der Kaufmann und die Unbeugsame«

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

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Inhalt

Düsseldorf, anno 1541. Walther von Doncerbosch, Mitglied des herzoglichen Hofstaats, wird mit durchgeschnittener Kehle in einem Klostergarten aufgefunden – und der Düsseldorfer Hof sucht gleichermaßen schockiert wie entzückt nach Verdächtigen. Grund, ihm den Tod zu wünschen, haben viele: seine Verlobte Jolanda, die ihren Zukünftigen von Herzen verabscheute, oder auch Conrad Franckh, mit dem ihn dunkle Geschäfte verbanden. Um nicht unter die Räder der hastig geführten Ermittlungen zu geraten, nehmen Jolanda und Conrad die Sache selbst in die Hand …

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Emons Verlags.

Emons Verlag
Broschur
352 Seiten
ISBN 978-3-7408-0321-6
11,90 Euro

Der höfische Alltag in all seinen Facetten …

Kein angenehmer Zeitgenosse, den Hermann von Auerbroich für seine Tochter Jolanda ausgesucht hat. Walther von Doncerbosch, Mitglied des Hofstaats von Wilhelm V, Herzog von Jülich-Kleve-Berg, ist als gewalttätig und jähzornig bekannt. Kein Wunder, dass Jolanda der bevorstehenden Heirat nicht vor Freude jauchzend entgegensieht. Um ihr Schicksal zu wenden, ist sie ins Damenstift nach Gerresheim geritten, um vor der Muttergottes um Hilfe zu beten. Doncersbosch soll von seinem Eheversprechen zurücktreten, so ihre Hoffnung. Hatte sie zuvor noch vor der Muttergottes darum gebetet, dass der Kelch der Hochzeit an ihr vorübergehe, folgt die Reaktion auf ihre Gebete auf dem Fuße. Eine der jungen Kanonissen entdeckt einen Mann im Garten, unter dem blühenden Kornelkirschbaum. Ein Mann im Klostergarten, skandalös genug, allein dieser Mann war zweifellos tot. Und als Jolanda erkennt, um wen es sich bei dem Mann handelt, erschrickt sie dann doch. »Sie hatte eine Lösung ihrer Probleme finden wollen. Was sie jedoch gefunden hatte, war Doncerbosch. Er lag im Dreck, dort, wohin sie ihn im Geheimen gewünscht hatte. Und er war tot, was sie sich nicht gewünscht hatte, denn das war gar zu drastisch. Dennoch war das erste Gefühl, das Jolanda überflutete, grenzenlose Erleichterung. Sie würde sich ihr Leben lang dafür schämen.« Die Situation ist denkbar ungünstig für Jolanda, denn Doncerbosch wurde erstochen, und sie befindet sich am Ort der Bluttat. Jeder am Hofe Wilhelms weiß, dass sie die Aussicht auf die Ehe mit Doncerbosch nicht glücklich stimmte. Grund genug, sie in den Kreis der potentiellen Täter einzureihen. Wenigstens ist sie in dem Augenblick des Schreckens nicht allein. Der Händler Conrad Franckh ist ebenfalls zugegen, der mit der Celleraria des Klosters ins Geschäft kommen wollte. Es stellt sich schnell heraus, dass auch er den Toten kannte, und nicht in guter Erinnerung hatte.

Der Todesfall kommt am Hofe mehr als ungelegen, denn der Herzog will in einer Woche nach Frankreich aufbrechen, zu seiner Braut Jeanne d’Albret, der Nichte des französischen Königs Franz I. Und für Jeanne ist Jolanda als Hofdame ausersehen, die daher den Herzog auf seiner Reise nach Frankreich begleiten sollte. Eine des Mordes Verdächtige ist in aller Augen jedoch dafür sicherlich nicht adäquat.
Mit der Aufklärung des Mordes ist Lukas Brunner betraut. Zwar fühlt er sich zu höheren berufen, Magister an einer Universität zu werden schwebte ihm vor, doch letztlich ist er nur ein kleines Licht in der Kanzlei des Herzogs geworden. Mit der neuen Aufgabe will er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen, in der Hoffnung auf einen künftig bedeutenderen Wirkungskreis.

Daniela Wander schildert das Leben am Hofe eines einflussreichen Herzogs im 16. Jahrhundert sehr kenntnisreich und anschaulich. Die Seilschaften unter den adligen Damen, das enge Zusammenleben, das Fehlen jeglicher Privatsphäre – wegen letzterer nimmt Jolanda hauptsächlich den halbstündigen Ritt nach Gerresheim auf sich, um dem Trubel und dem Klatsch des Hofes wenigstens für kurze Zeit zu entrinnen. Sie teilt sich mit zwei Damen und deren Mägden ein Zimmer und muss doch schnell feststellen, dass räumliche Nähe nicht gleichbedeuntend mit persönlicher Nähe ist.

Die Geschichte spielt 1541, der Zeit der Renaissance, des aufkommenden Humanismus und Protestantismus. Es ist die Zeit der Geldernkrise, in der sich das Herzogtum befindet. Den Anfang nahm sie 1538, als Herzog Wilhelm als Nachfolger des entfernten Verwandten Herzog Karl von Egmond die Herrschaft über das benachbarte Herzogtum Geldern antrat. Allerdings beanspruchte Kaiser Karl V ebenfalls diese Region und bekam beim Regensburger Reichstag im Jahr 1541 auch Recht.
Wilhelm hatte bereits ein Jahr zuvor bereits versucht, Allianzen zu knüpfen. Er verheiratete seine Schwester Anna von Kleve mit dem englischen König Heinrich VIII. {Die Ehe wurde allerdings bereits ein halbes Jahr später annulliert.} 1541 dann heiratete Wilhelm selbst die Nichte des französischen Königs Franz I., Jeanne d’Albret. Außerdem spekulierte er auch auf die Unterstützung seines Schwagers Johann Friedrich I, dem Kurfürst von Sachsen, der 1527 Wilhelms älteste Schwester Sibylle geehelicht hatte.
Die Geldernkrise mündet 1542 im Dritten Geldrischen Erbfolgekrieg. Herzog Wilhelm musste trotz seines Siegs über die habsburgischen Truppen der Spanischen Niederlande in der Schlacht um Sittard schließlich kapitulieren, da bei den ausgetragenen Gefechten die erhoffte französische Hilfe ausblieb.

Der eigentliche politische Konflikt spielt in dieser Geschichte allerdings kaum eine Rolle, Daniela Wanders Thema ist der höfische Alltag, und seiner Protagonisten. Höflinge, die jeder den ihm zugewiesenen Platz einnimmt, ohne den Sinn groß zu hinterfragen. Nur, der Titel verrät es, die unbeugsame Jolanda will sich nicht immer in die ihr zugewiesene Rolle fügen. Sie zögert nicht, den Rahmen, den ihr Anstand und Sitte lassen, bis zur Neige auszuschöpfen.

Fazit

Daniela Wander erzählt ihre spannende Geschichte mitreißend und humorvoll, dabei immer glaubwürdig. Der Roman ist prall gefüllt mit prägnanten Charakteren, deren Denken und Handeln in der Zeit begründet sind und doch nachvollziehbar. Allerdings, wenn Franckh »genervt« ist {S. 87} oder sich empört: »Das ist ja wohl das Letzte!« wirken diese eher zeitgenössischen Ausdrücke gelegentlich irritierend, fallen angesichts der mit Verve und Einfühlsamkeit erzählten Geschichte aber am Ende kaum ins Gewicht.

Dem prallen und farbenprächtigen Inhalt des Romans wird das in dunklen Farben eher unauffällig gehaltene Cover nicht gerecht.