Interview mit Amelia Martin

Histo Journal Interview: Amelia Martin über »Salz und Schokolade«

von Alessa Schmelzer

Mit ihrem neuen Roman »Salz und Schokolade« liefert die Autorin Amelia Martin einen packenden Roman zur jüngsten Geschichte Deutschlands. Im Interview erzählt die Autorin, warum sie ostdeutsche Geschichte in der entstehenden DDR zu ihrem Thema macht. Ein Interview über die Ambivalenz von Freiheit, die junge DDR und was Schokolade und Salz damit zu tun haben …

Histo Journal: Band 1 Deiner Halloren-Saga ist schon vor einiger Zeit erschienen. »Salz und Schokolade« nimmt Deine Leser:innen mit nach Halle in das Jahr 1950. Magst Du kurz umreißen, worum es in dem Roman geht?

Amelia Martin: Die Nachkriegsjahre sind Jahre des Umbruchs, des Neuanfangs, sind Zeiten von Verlust und Vergebung. Mit Irene Mendel lernen wir eine junge Frau kennen, die wohlbehütet und begütert aufwuchs. Ihrem Vater gehört eine traditionsreiche Schokoladenfabrik in Halle. Mit der Machtübernahme durch die Sozialisten verändert sich das Leben für die Unternehmerfamilie grundlegend. In der neuen sozialistischen Gesellschaft ist kein Platz für Kapitalisten. Gleichzeitig begegnen wir Paul Thulke, einem Salzwirker. Die Salzwirker oder auch Halloren sind fest verwurzelt in Halle, denn Salz war lange Zeit das weiße Gold. Irene und Paul verlieben sich allen Widrigkeiten zum Trotz. Pauls Schwester, Petra, sehnt sich nach einer modernen Zukunft und wird Schauspielerin. Es kommt zu großen Konflikten innerhalb der Familien, denn es geht um Loyalität, Moral und den Wunsch, zu überleben.
Wie geht Unternehmer Friedrich mit der Enteignung um? Wird sich Irene innerhalb des neuen Regimes behaupten können? Welche Opfer muss Paul bringen, um seinen Bruder vor der Inhaftierung zu bewahren? Was bleibt von den alten Machstrukturen? Und schließlich – wie sind die berühmten Halloren Kugeln entstanden?


Die mitreißende Saga um die älteste Schokoladenfabrik Deutschlands

Band 1: Salz und Schokolade (Die Halloren-Saga 1)
Die Tochter eines Schokoladenfabrikanten und ein junger Salzwirker zwischen Aufbruch und Hoffnung
Halle an der Saale, 1950: Als Tochter des Schokoladenfabrikanten Friedrich Mendel wuchs Irene mit dem Duft von Schokolade auf und es gab für sie nichts Schöneres, als ihren Vater zu beobachten, wie er Pralinen anfertigt. Doch seit dem Krieg ist alles anders. Irenes Bruder ist in russischer Kriegsgefangenschaft und ihre Mutter hat sich in ihre eigene Welt zurückgezogen.
Irene verliebt sich in den jungen Salzwirker Paul, einen waschechten Halloren. Doch ihre Eltern sehen die Verbindung kritisch und tun alles, um die jungen Leute auseinanderzubringen. Mit der Machtübernahme der SED gerät das Familienunternehmen in Gefahr und Irene wird vor eine unmögliche Wahl gestellt: Schokolade oder Liebe?

Salz und Schokolade (Die Halloren-Saga 2)
Halle, 1905. Der Besitzer der Schokoladenfabrik, Ernst David, hat es nicht leicht. Das Traditionsunternehmen steht am Wendepunkt: Schafft es den Wandel zu einer effizienten Schokoladenmanufaktur, oder verbleibt es eine kleine lokale Handwerksstube? Zudem interessieren sich seine zwei Töchter immer für die falschen Männer. Die Ältere der beiden, Cäcilie, soll eine Verbindung mit Julius eingehen, dem Sohn des mächtigen Kakaoimporteurs Leopold Mendel, der Anteile am Unternehmen gekauft hat. Doch der Chocolatier Julius hat nur Augen für Ida, Tochter einer alteingesessenen Hallorenfamilie. Er trifft sich heimlich mit der schönen Salzwirkertochter, wohlwissend, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Als Cäcilie beide entdeckt, droht alles zusammenzubrechen …

»Schokolade ist Liebe, aber ohne Liebe bedeutet Schokolade nichts.« Amelia Martin

Histo Journal: Die Geschichte der ›Halloren‹ ist in Halle noch recht lebendig. Warum waren sie für die Stadt und die Gegend von Bedeutung?

Amelia Martin: Rund um den Hallmarkt in Halle Saale gab es lange Zeit mehrere Solebrunnen, aus denen das Salz gewonnen wurde. Weil das Salz eine so große Bedeutung für die Menschen hatte, schlossen sich die Salzwirker, in Halle wurden sie Halloren genannt, schon 1491 zu einer noch heute existierenden Brüderschaft zusammen. Diese Brüderschaft erhielt von den jeweiligen Landesherren Privilegien, die ihnen im Gegenzug für die Salzgewinnung gewährt wurden. Bald schon gehörten die Halloren mit ihrem besonderen Festkleid, zum Stadtbild. Die Halloren überbrachten dem Landesherrn zum Jahreswechsel Soleier, Schlackwurst und eine Salzpyramide und erhielten dafür einen Silberbecher – der heutige Silberschatz der Halloren.
Die Halloren übernahmen auf Wunsch das Grabgeleit, feiern abwechselnd das Pfingstbier oder das Sonnen (fest)mit Fischerstechen und Fahnenschwingen. Für meinen Roman waren die 18 barocken Kugelknöpfe am Festkleid der Halloren von Bedeutung. Durch diese Knöpfe sind die Halloren bis heute mit der Schokoladenfabrik und Halle untrennbar verbunden. Wie genau es dazu kam – erzählt mein Roman.

Histo Journal: Der Untertitel des ersten Bandes lautet ›Der Geschmack von Freiheit‹. Wie trügerisch ist diese Freiheit bei drohender Enteignung, Alt-Nazis und neuem Parteibuch? (Renis Vater sagt nicht ohne Grund: »Die wollen uns ausradieren.«)

Amelia Martin: Mir gefällt der Untertitel sehr – weil er die Ambivalenz von Freiheit aufzeigt. Anfangs besteht die Hoffnung auf eine neue Zukunft, nach dem Horror des Nationalsozialismus, doch die russischen Besatzer und die Sozialisten desillusionieren die Menschen schnell. Was bleibt, ist ein fader Geschmack von Freiheit. So trügerisch, wie die Volkspraline, die in ihren ersten Jahren aus Ersatzstoffen und kaum aus Schokolade bestand.

Histo Journal: Die BRD war im Mai 1949, die DDR im Oktober 1949 gegründet worden. Ein Volk, zwei Staaten. Wie sah Deine Recherche zu diesem Thema aus?

Amelia Martin: Umfangreich. Ich habe unendlich viele Bücher zu diesem Thema gelesen und musste mich bremsen, denn zu politisch sollte der Roman nicht werden. Letztlich habe ich die politischen Ereignisse immer eng mit den Schicksalen meiner Protagonisten verbunden. Lebendige Geschichte.

Histo Journal: Einen Roman über die Zeit in der frühen DDR gab es aus Deiner Feder bislang nicht. Was hat Dich an dieser Zeit besonders gereizt?

Amelia Martin: Nach dem Krieg wurde alles auf Null gestellt. Scheinbar. Alte Naziseilschaften blieben, der Sozialismus bringt ein System hervor, in dem Lüge, Verrat und Unterdrückung an der Tagesordnung sind. Was entsteht unter diesen Voraussetzungen? Das Leben geht weiter und die Menschen passen sich an. Irgendwie. Das zu ergründen fand ich faszinierend.

Histo Journal: Stichwort Film/Theater/Schauspiel. Die neugegründete DEFA sollte den sozialistischen Menschen erziehen, aber nicht alle fügen sich. Im Roman lernen Deine Leser:innen Petra und Claus Holm kennen …

Amelia Martin: Die Welt des Films war damals unglaublich schillernd und verlockend für die Menschen, die noch in Trümmern lebten, mit Lebensmittelkarten zahlten und nach ihren Angehörigen suchten. Gerade Claus Holm passte in meine Geschichte, weil er selbst erlebt, was viele durchmachten. Als beliebter Schauspieler genoss er Privilegien bei der neu entstehenden DEFA. Aber als man ihn zu sehr unter Druck setzt, er seine Kinder auf eine sozialistische Schule senden soll, kehrt er der DDR den Rücken.

Histo Journal: Band 2 erscheint in diesem Jahr. Ist dieser, der im Jahr 1905 spielt, so eine Art Prequel zur Blütezeit der Schokoladenmanufaktur?

Amelia Martin: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde groß gedacht in Halle – da entstand die Idee, aus einer Manufaktur mit Café eine Schokoladenfabrik zu machen. Ich finde diese Zeit sehr spannend, weil hier der Grundstein für die Halloren Schokoladenfabrik gelegt wurde. Das Gebäude steht noch heute und der Schreibtisch von Ernst David, dem Visionär, ist Teil des Schokoladenmuseums.

Histo Journal: Vielen Dank für das Interview!

Aber bevor es wieder nach Halle geht, nimmt uns die Autorin unter ihrem Klarnamen Constanze Wilken mit auf eine spannende Schottlandreise. »Das Rosencottage« erscheint am 20. April.

Inhalt:
Die junge Künstlerin Kirsty Paterson schlägt sich in Edinburgh mühsam mit verschiedenen Jobs durch. Doch dann stirbt ihre geliebte Großmutter Fiona und vererbt Kirsty ihr Rosencottage auf der malerischen Insel Tiree. Mit dem Haus verbindet Kirsty die glücklichsten Sommer ihrer Kindheit. Ihre Großmutter hat jedoch eine Bitte an das Erbe geknüpft: Kirsty soll das Verschwinden von Fionas Kinderfreundin Livie vor vielen Jahren aufklären. Schon bald löst sie mit ihrer Spurensuche schicksalhafte Ereignisse aus und trifft auf den undurchschaubaren, aber attraktiven Schriftsteller Finlay …

Die Autorin
Foto: Constanze Wilken

Amelia Martin ist das Pseudonym der Bestsellerautorin Constanze Wilken. Sie hat jahrelang als Sachverständige für ein weltweit handelndes Auktionshaus gearbeitet, die Provenienz von Möbeln und Kunstgegenständen geprüft und Ausstellungen organisiert. Nach Jahren in England und im europäischen Ausland unternimmt die Autorin heute ausgedehnte Recherchereisen an die Schauplätze ihrer Romane.

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