Histo Journal Special: Heidi Rehn – Teil 2

Histo Journal Special: Heidi Rehn im Interview

»Bei der Laudatio musste ich mich immer wieder in den Arm zwicken, um mir klar zu machen, dass ich das alles nicht träume.«

Seit Juli ist Heidi Rehns neuer historischer Roman »Der Sommer der Freiheit« auf dem Markt. In Teil 2 unseres Histo Journal Specials sprechen wir mit der beliebten Autorin über ihre Vorliebe für Vicki Baum, den Anblick der Kriegsgräber in Verdun und die Zukunft des historischen Romans.

von Alessa Schmelzer

Histo Journal: Dein neuer Roman ist seit ein paar Tagen ›draußen‹. Hattest Du vor Erscheinen so etwas wie Lampenfieber?

Heidi Rehn (HR): Natürlich. Auch wenn es schon mein elfter Roman ist, ist es jedes Mal aufs Neue sehr, sehr aufregend. Nach all den Monaten, in denen ich quasi ganz für mich allein mit dem Roman am Schreibtisch gesessen habe, entlasse ich ihn damit in die große, weite Welt. Das ist ein bisschen vergleichbar damit, Kinder flügge werden zu sehen (als Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern sei mir der Vergleich erlaubt).
Beim »Sommer der Freiheit« ist es auch deshalb noch einmal ganz besonders, weil ich nach mehreren Romanen aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit einen gewaltigen Zeitsprung ins frühe 20. Jahrhundert wage. Angesichts des Rummels, der derzeit um den 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs herrscht, ist das ein großer Schritt. Es gibt jetzt sehr viele Romane zu dieser Zeit und meiner muss sich in der Masse behaupten.

»Nach Kriegsende beginnt für die Frauen in Deutschland ein neues Zeitalter und vieles von dem, für das Frauen wie Meta einst auf die Barrikaden gingen, wird auf einmal Wirklichkeit.«

Histo Journal: Dieses Mal entführst Du Deine Leserinnen und Leser in das Jahr 1913. Worauf dürfen wir uns in ›Der Sommer der Freiheit‹ freuen?

HR: Zunächst beginnt der Roman ganz bewusst als eine Geschichte über einen unbeschwerten Sommer. Dann aber ändert sich die Stimmung…. Letztlich ist es ein Roman über den Untergang einer Epoche, die vor 1914 überraschend modern, optimistisch und vergnügungssüchtig daherkam (zumindest für die Kreise, in denen mein Roman spielt), um dann 1914-18 komplett aus den Angeln gehoben zu werden. Die Menschen sahen sich plötzlich gewaltigen Umbrüchen ausgesetzt. Gerade die Rolle der Frau, auch wenn das jetzt etwas abgedroschen klingt, ändert sich in dieser Zeit und davon erzählt der Roman am Beispiel der beiden sehr unterschiedlichen Hauptfiguren Selma und Constanze. Es ist aber auch ein Roman über die Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen, die 14/18 auf eine harte Probe gestellt wird, und zwischen zwei sehr gegensätzlichen Frauen sowie zwischen Frauen und Männern. Und natürlich ist es auch ein Roman über die Liebe.

Histo Journal: Das klingt vielversprechend! Meta {sie ist Selmas Großmama} schreibt unter Pseudonym. Hast Du ein wenig an Vicki Baum gedacht, als Du die Figur der Meta als Schriftstellerin geschaffen hast?

HR: Vicki Baum ist mein ganz persönliches Vorbild und meine absolute Lieblingsautorin. Es schmeichelt mir sehr, wenn Du sie im Zusammenhang mit meinem Roman ansprichst. Zeitlich liegt sie zwar etwas später als meine Romanfigur, aber in gewisser Hinsicht trägt Meta schon einige Züge von ihr. Andererseits steht Meta für die Frauenrechtlerinnen und Autorinnen des zu Ende gehenden Kaiserreichs. 1918 ist ihre große Zeit vorbei, was sie nicht unbedingt bedauert, sondern eher als Erfolg sieht. Nach Kriegsende beginnt für die Frauen in Deutschland ein neues Zeitalter und vieles von dem, für das Frauen wie Meta einst auf die Barrikaden gingen, wird auf einmal Wirklichkeit: z.B. das allgemeine Wahlrecht, die selbstverständliche Zulassung zu höherer Schulbildung und Studium und – meist zwar der wirtschaftlichen Not geschuldet, aber dennoch eine Revolution – die allgemein übliche Berufstätigkeit der Frau jenseits von klassischen Haushaltstätigkeiten.

Histo Journal: Begriffe wie ›Sommerfrische‹, auf französisch geführte Konversationen, luxuriöse Hotels samt ihrer mondänen Gäste – ich muss hierbei sofort an Schriftsteller wie Thomas Mann, Lion Feuchtwanger oder Stefan Zweig denken und an Maler wie Monet oder andererseits Franz Marc. Was kam Dir in den Sinn?

HR: Ups, das sind jetzt sehr, sehr große Namen. Tatsächlich sind sie mir beim Schreiben durch den Kopf geschwirrt, weil mir bestimmte Bilder vor Augen standen, z.B. das berühmte »Frühstück im Grünen« von Claude Monet oder Hanna Paulis »Frühstückszeit«. Eine ähnliche sommerliche Leichtigkeit und Unbeschwertheit möchte ich in meinen Schilderungen einfangen, ebenso die satten Farben von Franz Marc, die leicht verträumte Stimmung auf den Landschaftsbildern von Franz von Stuck und auf den Porträts von Franz von Lenbach. Stefan Zweigs »Welt von gestern« schwingt natürlich ebenso mit, wenn ich den Untergang der Kaiserzeit schildere. Das mondäne Leben der bürgerlichen Oberschicht, die 1913/14 nicht den geringsten Gedanken daran verschwendet, dass diese Zeit sehr schnell komplett vorbei sein könnte, steht gerade in der ersten Romanhälfte im Zentrum.

»Der berühmte ›Alpensieger‹ der Jahre 1912-14, den Selma fährt, steht quasi bei mir ums Eck.«

Histo Journal: Als ›Münchnerin‹ kennst Du das Deutsche Museum. Hast Du Dir die Automobilabteilung angeschaut? Oder woher stammt Dein Wissen über Autos aus der Zeit? Bist Du selbst in einem solchen Wagen einmal gefahren?

HR: Gefahren bin ich mit solch alten Autos leider noch nie. Aber der Audi Typ C, der berühmte »Alpensieger« der Jahre 1912-14, den Selma fährt, steht quasi bei mir ums Eck im Verkehrsmuseum des Deutschen Museums, allerdings in knalligem Gelb. Den habe ich mir gründlichst angeschaut, um ihn als Selmas Auto richtig zu beschreiben. Überhaupt liebe ich Sammlungen alter Automobile, war bereits mehrfach in Mühlhausen im Elsass, um die berühmte Sammlung Schlumpf zu studieren, und unlängst in Martigny in der Schweiz. Dort gibt es in der Fondation Pierre Gianadda neben vielen anderen hervorragenden Ausstellungen auch eine äußerst sehenswerte Sammlung alter Wagen vorrangig aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland.

Das ehemalige Hotel Bellevue ist heute eine Seniorenresidenz
Foto: Alexander Rehn

Histo Journal: Eine umfangreiche Recherche. Wie hast Du speziell für diesen Roman recherchiert? Hast Du zum Beispiel all die Orte bereist?

HR: Für mich ist es sehr wichtig, die Orte meiner Romane zu besuchen, sie mit eigenen Augen zu sehen und mit allen Sinnen zu erfassen. So verschaffe ich mir einen ganz eigenen Zugang, um die besondere Atmosphäre meiner Romane zu gestalten. Anders als z.B. bei meinen Ostpreußen-Romanen, für die ich ganz gezielt ins Kaliningrader Gebiet in Russland und nach Polen gereist bin, speisen sich die Eindrücke dieses Mal allerdings aus mehreren Reisen in verschiedenen Jahren. Berlin besuche ich ohnehin nahezu jährlich, weil meine Schwester dort lebt, ebenso reise ich oft und gern ins Elsass und nach Lothringen. Das Rheinland ist meine „alte“ Heimat, mein Vater ist außerdem bei Bad Godesberg aufgewachsen.

Baden-Baden habe ich – passenderweise ;-) – zuletzt im dick verschneiten Januar 2013 für einige Tage bereist, um speziell zu den Hotels zu recherchieren. Ich bin im Europäischen Hof abgestiegen, weil ich mir das ursprünglich als Haupthandlungsort eingebildet hatte. Auf einem zauberhaften Spaziergang durch die weiße Winterlandschaft der Lichtentaler Allee bin ich dann allerdings zufällig auf das Bellevue gestoßen. Es war quasi Liebe auf den ersten Blick, auch wenn das Hotel längst geschlossen ist und das Haus inzwischen eine luxuriöse Seniorenresidenz beherbergt. Trotzdem war es wie geschaffen für das, was ich dort ansiedeln wollte. Die Mitarbeiter haben auf meinen spontanen Überfall glücklicherweise sehr aufgeschlossen reagiert und mir das Haus gezeigt. So konnte ich nahezu alles, was ich für den Roman gebraucht habe, in Augenschein nehmen. Dieses Erlebnis hat mir wieder einmal bewiesen, wie wichtig es ist, die Handlungsorte tatsächlich persönlich aufzusuchen. Ich mache dabei eben immer wieder neue, unverhoffte Entdeckungen.


Ich liebe es einfach, einen Roman von 1920 in genau dieser Erstausgabe in Händen zu halten.

Histo Journal: Bleiben wir noch einen kurzen Moment bei der Recherche. Wie sieht ein typischer Heidi-Rehn-Recherchetag aus?

HR: Das kommt ganz darauf an, ob ich auf Recherchereise bin oder z.B. in Archiven, Bibliotheken oder Museen stöbere. Auf Recherchereisen schlendere ich entweder durch Städte, Wälder oder Landschaften, besuche Museen, Erinnerungsstätten und wichtige Sehenswürdigkeiten vor Ort, spreche mit Heimatforschern und Historikern, und schmökere mich durch die Regionalliteratur in den ortsansässigen Buchhandlungen.
Wenn ich in Archiven oder Bibliotheken bin, dann arbeite ich mich dort gzielt durch das entsprechende Material, das alte Zeitungsausschnitte, Karten, Fotos, persönliche Aufzeichnungen, Einladungskarten, Eintrittsbillets u.ä. umfasst. In diesen wundervollen Archivkartons warten stets tolle Überraschungen und mich fasziniert es, z.B. das Original-Programm vom ersten Tanzfestival oder die Speisekarte zur festlichen Eröffnung der Merkur-Bahn in Baden-Baden aus dem Sommer 1913 vor mir zu haben. Oft sitze ich auch einfach nur da und lese mich querbeet durch Bücher über die ausgewählte Epoche.
Zuhause am Schreibtisch recherchiere ich natürlich auch viel im Internet und bestelle mir dann gern viel zu viele alte, antiquarische Bücher. Ich liebe es einfach, beispielsweise einen Roman, der erstmals 1920 erschienen ist, in genau dieser Erstausgabe in Händen zu halten. Das weckt bei mir gleich die Vorstellung, was dieses Buch seither alles »erlebt« hat, wer es besessen und wann gelesen hat usw. Auch Reiseführer aus dem Jahr, in dem meine Figuren irgendwo unterwegs sind, liebe ich heiß und innig und kann mich im Lesen der Hotel- und Restaurantempfehlungen oder der »Sightseeingtipps« von anno dazumal ganz schön verlieren…. Ebenso gehört es glücklicherweise zur Recherche, mir alte Filme anzuschauen oder alte Lieder aus der Zeit anzuhören und natürlich auch Gemälde und Kunstwerke zu betrachten. Auch das bringe ich in so manchem Recherchetag nur zu gern und ausgiebig unter….

Histo Journal: Du hast die Kriegsgräber in Verdun besucht. Was hast Du beim Anblick der weißen Kreuze gedacht und empfunden?

HR: Ich hatte zuvor schon viele französische Weltkriegsfriedhöfe im Elsass und in Lothringen besucht und bin immer wieder zutiefst bewegt, wie liebevoll man in Frankreich diese Stätten bis heute als Orte des Gedenkens und des Mahnens an den Frieden pflegt. Verdun, speziell das Beinhaus von Douaumont und die angrenzenden Friedhofsfelder sind allerdings unvergleichlich. Es ist erschütternd, weil einem dort die unglaubliche Dimension des Krieges unerbittlich vor Augen gehalten wird. Gräberreihen bis zum Horizont, Millionen Tote, deren sterbliche Überreste bis heute unidentifiziert im Beinhaus liegen, schier endlose Listen mit Namen von Gefallenen, dann die Gedenktafeln der am Krieg beteiligten Nationen, das alles geht einem sehr, sehr nahe. Hinzu kommen die bis heute in der Gegend um Verdun verstreuten Hinweistafeln mit Fotos der zerstörten Dörfer, die seither komplett von der Landkarte verschwunden sind, und natürlich die Höhe 304 westlich der Höhe Toter Mann und die Überreste, also Soldatenhelme, Granatsplitter, Erkennungsmedaillons usw., die dort nach wie vor in den Wäldern und auf den Feldern zutage treten. Das, was man dort empfindet, lässt sich schwer in Worte fassen. Es weckt einfach nur den inständigen Wunsch, dass es nie, nie wieder Krieg geben darf. Aber das ist ja leider ein Wunschtraum, denn bis heute gibt es leider auf nahezu allen Kontinenten Kriege und die damit verbundenen Grausamkeiten.

Kriegsgräber in Verdun
Foto: Alexander Rehn

Histo Journal: Wirst Du mit ›Der Sommer der Freiheit‹ auf Lesereise gehen? Wenn ja: wie gestaltest Du diese Lesungen?

HR: Eine einzige, große Lesereise gibt es nicht, gerade aber hatte ich hier in München zur Buchpremiere gleich zwei sehr schöne Veranstaltungen. Im September und Oktober folgen Lesungen im Rheintal und in Baden-Baden. Ganz abgeschlossen sind die weiteren Planungen noch nicht. Es wird wahrscheinlich noch einige Hotellesungen geben.
Meine Lesungen verstehe ich als hervorragende Gelegenheit, mit meinen {potentiellen} Leserinnen und Lesern persönlich ins Gespräch zu kommen. Deshalb lese ich nicht einfach nur vor, sondern erzähle von meinen Recherchen und den Überlegungen, die dem Schreiben vorausgingen. Bei der »Liebe der Baumeisterin« hatte ich zudem eine Diashow von meinen Recherchereisen zusammengestellt, um die Schauplätze des Romans im heutigen Russland und in Polen besser vor Augen zu führen. Beim »Sommer der Freiheit« gehe ich davon aus, dass die meisten eine ungefähre Vorstellung besitzen, wie es in Baden-Baden, dem Elsass und in Lothringen sowie in Berlin und dem Rheinland aussieht. Ich freue mich immer, wenn es im Publikum jemanden gibt, der die Orte ebenfalls kennt und dann von seinen Eindrücken erzählt.

»Bei der Laudatio musste ich mich immer wieder in den Arm zwicken, um mir klar zu machen, dass ich das alles nicht träume.«

Histo Journal: Auf diversen Buchportalen gibt es Leserunden mit Dir. Was gefällt Dir besonders an Leserunden? Und – erinnerst Du Dich an Deine erste Leserunde?

HR: Ich bin ein großer Fan von autorenbegleitenden Leserunden. Für mich als Autorin ist es eine riesige Chance, durch das gemeinsame Lesen von meiner Leserschaft zu erfahren, wie das Geschriebene bei ihnen ankommt. Konstruktive Kritik ist mir sehr wichtig. Daraus kann ich eine Menge für mein weiteres Schreiben lernen und erhalte oft wertvolle Anregungen und Denkanstöße. Oft erfahre ich in solchen Runden außerdem noch Interessantes über das von mir recherchierte Thema, was ich so vielleicht noch nicht gesehen oder gelesen habe, weil jemand noch weitere Bücher, Museen oder sonstige Hinweise anbringt. Das freut mich sehr.
Meine erste Leserunde hatte ich zur »Wundärztin« 2010 bei Nethas Schmökerkiste, ein Forum, das seither jedes weitere meiner Bücher begleitet hat. Ich war damals sehr aufgeregt, weil ich von Kollegen von wüsten Beschimpfungen und besserwisserischen Kommentaren in anderen Foren gehört hatte. Als ich bei Netha auf sehr aufgeschlossene und vor allem faire Leserinnen und Leser gestoßen bin, die ehrlich, aber niemals unbegründet ihre Meinung kundgetan haben, war ich erleichtert. Seither versuche ich, möglichst mehrere Leserunden zu einem Roman in verschiedenen Foren anzubieten, weil man doch immer auf sehr unterschiedliche Teilnehmer trifft.

Histo Journal: Auf Facebook hast Du eine Autorenseite – für alle nicht Facebook Menschen…was erfahren Deine Leserinnen und Leser dort? Und umgekehrt – was erfährst Du von oder über Deine/n Leser/n?

HR: Zum einen poste ich dort aktuelle Termine, weil ich keine sonstige Homepage mehr betreibe. Und zum anderen poste ich eine sehr bunte Mischung aus Fotos zu meinen Recherchen und Reisen, aber auch zu Büchern, Filmen, Ausstellungen oder Museen, die mir ganz unabhängig von meinen eigenen Romanen gefallen, Links zu interessanten Kolleginnen und Kollegen, Infos rund um das Schreiben allgemein, Hinweise auf interessante Seiten im Internet usw. Viele meiner Leserinnen und Leser treten über die Seite an mich heran, stellen Fragen zu den Büchern oder tun einfach ihre Meinung kund. Manchmal verschenke ich auch ein signiertes Buch. Die Seite kann man übrigens auch ohne eigenen Facebookzugang im Internet aufrufen.

Die Beschäftigung mit der Vergangenheit ist letztlich immer vor allem eine Beschäftigung mit der eigenen Gegenwart.

Histo Journal: Gerade hast Du den ›Goldenen Homer‹ erhalten. Was bedeuten Auszeichnungen, Preise wie dieser für Dich?

HR: Da das mein allererster Preis ist, habe ich mich vor allem einfach riesig gefreut. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man die beeindruckende Liste der mehr als 70 eingereichten Romane liest und dann die Auszeichnung erhält. Bei der Laudatio musste ich mich immer wieder in den Arm zwicken, um mir klar zu machen, dass ich das alles nicht träume.
Ich habe einige Jahre beim »Syndikat« die Organisation der Glauser-Preise verantwortet und weiß von daher einigermaßen einzuschätzen, was Juryarbeit und das Bewerten von Romanen im Rahmen solcher Auszeichnungen letztlich bedeutet. Auch deshalb bin ich ganz besonders stolz auf »meinen« Homer für »Die Liebe der Baumeisterin«. Generell halte ich solche Preise und Auszeichnungen für eine große Wertschätzung dessen, was ein Autor im stillen Kämmerlein geleistet hat. Inwieweit es sich in höheren Auflagen und damit letztlich auch in barem Geld auszahlt, ist sicherlich sehr unterschiedlich. Wahrscheinlich ist das – abgesehen von den richtig großen, international bekannten Preisen – auch schwer festzustellen.

Histo Journal: Es ist ein wichtiges Zeichen, dass der neugeschaffene Autorenverein »HOMER« Preise für den historischen Roman vergibt und damit deutlich macht: »Autoren historischer Romane schreiben lesenswerte Literatur.« Was denkst Du über das Genre ›historischer Roman‹?

HR: Die Beschäftigung mit der Vergangenheit ist letztlich immer vor allem eine Beschäftigung mit der eigenen Gegenwart. Es sagt sehr viel über eine Epoche aus, wann welche Themen wie in historischen Romanen beschrieben werden. Das ging in der Romantik los, als man zum ersten Mal das Mittelalter (wieder-)entdeckte und seine vermeintliche Ursprünglichkeit glorifizierte. In den letzten Jahren erlebte das Mittelalter dann erneut eine gewaltige Renaissance, wurde allerdings durch die Brille der heutigen Zeit völlig anders gesehen. Man interessierte sich weniger für Ritter- und Heldengeschichten als vielmehr für den Alltag der normalen Menschen. Gerade ist das frühe 20. Jahrhundert »in«, selbst die Zeit des Dritten Reiches wird inzwischen im Unterhaltungsgenre historischer Roman thematisiert, ebenso die Nachkriegsgeschichte. Plötzlich will man wissen, was die Eltern und Großeltern einst erlebt haben. Manchmal haben sie noch selbst davon erzählt, oft aber hat man damals nicht zugehört und schließt diese Lücken durch das Lesen von Romanen. Auch fallen Tabus und Berührungsängste weg, sich mit dieser Zeit zu beschäftigen, weil wir einfach schon wieder mehr Distanz dazu besitzen und deshalb unvoreingenommener herangehen können.

Die Zukunft des historischen Romans ist meiner Ansicht nach gesichert.

Histo Journal: Was bedeutet das für die Zukunft des historischen Romans?

HR: Die Zukunft des historischen Romans ist meiner Ansicht nach gesichert: Das Bedürfnis, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, um daraus mehr Licht auf die eigene Gegenwart zu werfen, bleibt bestehen. Es ändern sich immer nur die Vorzeichen, unter denen das geschieht, und damit rücken immer wieder auch andere Epochen ins Zentrum des Interesses.

Histo Journal: Bist Du in einem Autorenverein?

HR: Derzeit bin ich in keinem Autorennetzwerk oder Verein, weil ich es aus persönlichen Gründen nicht schaffe, mich dort zu engagieren. Für mich ist es ganz wichtig, einer Vereinigung wie z.B. dem Syndikat oder DeLiA nicht nur anzugehören, sondern mich dort auch aktiv einzubringen. Das habe ich viele Jahre lang in mehreren Vereinigungen getan, derzeit allerdings ist mir das leider nicht möglich.

Histo Journal: Triffst Du Dich regelmäßig mit anderen Autoren zum Autorenstammtisch?

HR: Der persönliche Austausch mit Kolleginen und Kollegen, egal ob aus demselben Genre oder aus anderen, ist für mich sehr wichtig. Hier in München gibt es einige Stammtische, die ich sehr schätze und weitgehend regelmäßig besuche.

Histo Journal: Rezensionen gehören zum Autorenleben dazu. Wie gehst Du mit negativen Rezensionen um? Liest Du sie überhaupt? Oder sammelt Dein Verlag alle Rezensionen ein und gibt Dir ein Feedback?

HR: Leider bin ich sehr neugierig und schaue deshalb viel zu häufig im Internet nach, ob es neue Rezis zu meinen Büchern gibt. Negative Rezensionen, die sich gut begründet und konstruktiv mit meinen Büchern beschäftigen, tun natürlich weh, helfen mir aber mit etwas Abstand betrachtet, aus möglichen Fehlern zu lernen oder über manches neu nachzudenken. Negative Rezis dagegen, die einfach nur zerreissen um des Zerreissens willen, oder gar unsachlich und mitunter persönlich verletzend sind, versuche ich möglichst schnell zu vergessen. Darin lässt jemand wahrscheinlich einfach nur eigenen Frust ab und aus irgendeinem Zufall bin ich bzw. mein Buch in sein Visier geraten. Sehr schade, dass jemand seine kostbare Zeit damit verschwendet, solche Schmähkritikgen zu verfassen.
Die Presseabteilung meines Verlags sammelt außerdem Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte sowie Berichte im Internet und schickt sie mir in regelmäßigen Abständen.

Histo Journal: Woran arbeitest Du im Moment?

HR: Nach dem Buch ist bekanntlich vor dem Buch und deshalb stecke ich mitten im Manuskript meines nächsten Romans, der 2015 erscheinen wird. Er spielt in der ersten Hälfe der Zwanziger Jahre und dreht sich um die »lost generation« nach dem Ersten Weltkrieg. Es geht auch um den Niedergang der einstigen Bohème-Stadt München, die zunehmend im braunen Sumpf versinkt, und dem aufstrebenden Sehnsuchtsort Berlin.

Histo Journal: Wir sind gespannt! Vielen Dank für das Gespräch!


»Der Sommer der Freiheit«

Liebe in schwierigen Zeiten – Es begann im Sommer 1913

Selma ist die Tochter einer angesehenen Zeitungsverlegerfamilie und fährt mit ihrer Familie wie jedes Jahr in die Sommerfrische nach Baden-Baden. Man genießt das elegante Ambiente, die Konzerte und Bälle. Selma hat gerade – zum Entsetzen der Mutter! – das Autofahren gelernt und wartet ungeduldig auf die Ankunft ihres Verlobten Gero. Da lernt sie bei einem Ausflug ins nahe gelegene Elsass den französischen Fotografen Robert kennen – und es ist um sie geschehen. Doch wir schreiben das Jahr 1913, und bald wird der Geliebte zu den Feinden zählen …