Cornelia Haller über die Anfänge der Hexenverfolgung im Bodenseeraum

Über die Anfänge der Hexenverfolgung im Bodenseeraum

Dieser Beitrag ist Teil 3 unseres Histo Journal Specials: Cornelia Haller

Gastbeitrag von Cornelia Haller

Maleficantenweg, Hölltor, Hexenstein, Teufelssteig – all diese Flurbezeichnungen und Straßennamen erinnern uns im Bodenseeraum noch heute an eine düstere Zeit. Mit Sicherheit zählt der Bodensee mit den nahen Alpen, den zahlreichen Apfelbäumen und den saftigen Wiesen zu einer der lieblichsten Gegenden Deutschlands.

Das Wort Hexe kommt von ›Hagazussa‹, das Weib im Hag, oder die Frau in der Hecke.

Dennoch sollte man nicht vergessen, dass gerade hier, inmitten so viel Schönem, die Hexenverfolgung ihren Anfang und viele Jahrhunderte später ihr Ende hatte. So wurde in der nahen Schweiz – genauer im Kanton St. Gallen im Jahr 1782, mit Anna Göldi – die letzte Frau als ›Hexe‹ gerichtet und verbrannt. Aber lassen Sie uns zuerst weit zurück, zu den Anfängen der grausamen Hatz gehen. Vielleicht sollten wir uns hierzu zuerst einmal fragen, was genau eine Hexe eigentlich ist, und wie es zu den entsetzlichen Verfolgungswellen kam, die vielen Tausenden das Leben gekostet hat.

Das Wort Hexe kommt von ›Hagazussa‹, das Weib im Hag, oder die Frau in der Hecke. Vor der Christianisierung wurde die Zaunreiterin, als weise Frau geachtet, weil sie zwischen den Welten verkehrte und mühelos die Seiten wechseln konnte. Der Zaun, also die Umgrenzung eines geschützten Raums steht sowohl für den Übergang zur Anderswelt als auch für die Begrenzung eines Dorfes, in welchem das ›sichere‹ Leben stattfand. Ihr ›Zauber‹ bestand allein darin, eine Mittlerin zu sein. Eine Mittlerin zwischen außen und innen. Eine Wanderin zwischen der diesseitigen Welt und der Jenseitigen. Zahlreiche Funde führen darauf zurück, dass magische Handlungen und Beschwörungsformeln wohl schon immer von den Menschen benutzt wurden. Über die Jahrhunderte hinweg, blieben Verwünschungen und Flüche dann ein gerngenommener Behelf, und gehörten ebenso selbstverständlich zum Alltag, wie wir heute zum Telefon greifen, oder den Fernseher einschalten. Selbst die Kirche hielt eine Bestrafung jener ›Zauberer‹ damals für unwesentlich und belegte sie allenfalls mit einer geringen Buße. Erst mit dem 13. Jahrhundert verschärfte sich der Ton gegen Zauberei ein wenig. Dennoch sollte es noch fast zweihundert Jahre dauern, bis der Grundstein, also die Legitimation für die Hexenverfolgung im Bodenseeraum, gelegt wurde.

Albrecht Dürer
»Die Hexe«
Kupferstich um 1500

Ausschlaggebend und von großer Bedeutung waren mit Sicherheit die gewaltigen Klimaverschiebungen, welche Europa am Anfang des 15. Jahrhundert heimsuchte. ›Die Kleine Eiszeit‹ brachte neben bitterkalten Kälteperioden nicht endenwollende Regenzeiten, und diese hatten neben Krankheiten wie der Pest, Hunger und Armut im Gepäck. Die Historie zeigt, dass der Bodensee allein zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert ganze vierzehnmal mit einer kompletten Eisdecke verschlossen war. Heute findet die ›Seegfrörne‹, wie das Überfrieren des Sees auf Bodenseealemannisch heißt, höchstens einmal alle 100 Jahre statt. Daneben wüteten zwischen 1482 und 1484 zahlreiche Epidemien. Unter anderem die schwarze Pest, welche die Bevölkerung zusätzlich schwächte. Als im Jahr 1484 zu allem Überfluss noch ein alles verheerendes Unwetter, von Konstanz über den Bodensee nach Ravensburg niederging, wähnten sich die Menschen dem bevorstehenden Weltuntergang nahe. Der Hagelsturm zerstörte einen Großteil der Seegemeinden und das gesamte Schussental. »Auf dass die Erde selbst nach Ablauf einiger Jahre, kein Korn, keine Feldfrucht und nicht eine Weintraube mehr hervorbringen wird«, heißt es im Hexenhammer.

Heinrich Kramer
»Malleus Maleficarum«
Köln, 1520

Als Folge stiegen die Getreidepreise um den Bodensee und im Oberschwäbischen ins Astronomische. Schnell kam es unter der Bevölkerung zu wachsenden Unruhen, und bald sprachen die Leute zum ersten Mal von Schadenszauber und Gottes Strafe. Aber warum strafte Gott die Menschen so sehr? »Weil immer mehr vom wahren Glauben abfallen und sich als ›Hegxen‹ zusammenfinden und einen Pakt mit dem Teufel eingehen«, sagt Heinrich Kramer, der Inquisitor für Oberdeutschland. Letztlich war es »das Geschrey der Leute«, wie es im Hexenhammer heißt, welches den Dominikaner im Herbst des Jahres 1484 nach Ravensburg reisen lässt. Neben Waldshut und Schaffhausen, bereist der Inquisitor nun auch das Bistum Konstanz, in welchem er nicht weniger als 48 Frauen verbrennen lässt. »Weil sich in diesem recht unseligen Bistum, recht zahlreiche Hegxen aufspüren lassen«, hält er im Hexenhammer fest. Mit dem Hexenhammer {lat. Malleus Maleficarum} schuf Kramer einen umfassende Anleitung zur Aufspürung, Überführung und Festsetzung, der vermeintlichen Hexen.

Hexenflug auf dem Besen
1451
Martin Le France
{1410 – 1461}

In drei Abschnitten unterweist der er die Hexenrichter, wie durch die hochnotpeinliche Befragung, so die damalige Bezeichnung für die Folter, die ›Wahrheitsfindung‹ erfolgen sollte. Mit dem Verfassen des Malleus Maleficarum wollte Kramer sichergehen, dass die Hexenprozesse immer nach demselben Schema abgehandelt wurden. So folgte auf die Anklage rasch die Inhaftierung. Manchmal kam auch die sogenannte ›Hexenprobe‹, in Form einer Wasserprobe zur Anwendung. Hierzu wurde die Angeklagte entkleidet und gefesselt in stehendes Gewässer gestoßen. Trieb die Beklagte zur Wasseroberfläche, konnte sie eindeutig der Hexerei überführt werden. Die Hexenrichter gingen davon aus, das heilige Wasser stoße seit der Taufe im Jordan, das Böse ab. Versank die Beschuldigte dagegen, konnte sie freilich ihre Unschuld beweisen. Allerdings ertranken die Beklagten während dieser Prozedur meistens.

Fester Bestandteil des Verhörs, war die Territion – das Zeigen und Erklären der Folterinstrumente. Zeigte sich die Verdächtigte angesichts der Instrumente immer noch ›verstockt‹, kam die Folter zur Anwendung. Letztlich brach die über viele Tage fortgesetzte Pein, den Willen eines jeden und die Richter erhielten das verlangte Schuldeingeständnis. Hier sei die Ausübung von Schadenszauber, Teufelsbuhlschaften und der Teilnahme am Hexenflug erwähnt. Stets bezog sich eine der Schlussfragen auf das ›Besagen‹ von Mittäterinen. Auf diese Weise riss der Strom der ›Hexen‹ nie ab, denn die Anklage konnte in der Regel mit dem Todesurteil gleichgesetzt werden. Während Kramers Lebenszeit {ca. 1430-1505} kam es vor allem im süddeutschen Raum zu wahren Verfolgungswellen. So mag es nicht verwundern, dass lange noch ganze Generationen von Scharfrichtern, aus dem Bodenseegebiet und aus dem nahen Allgäu kamen.