Otto von Bismarck

Hörbuch Rezension: »Otto von Bismarck«

Gehört & notiert von Alessa Schmelzer


»Otto von Bismarck«
Sprecher: Torben Kessler, Ilona Strauß, Walter Renneisen, Moritz Stoepel, Sylvia Heid, Jesko von Schichow
Autor: Frank Eckhardt
Fassung: Feature/Originalton
Laufzeit: ca. 2 Stunden und 8 Minunten {2 CDs}
Verlag: Der Hörverlag

Das Digifile enthält zwei CDs. Innen finden sich biographische Angaben zu Frank Eckhardt, Lothar Gall und Anne Lerman sowie eine Kurzbiographie Bismarcks. Inhaltsverzeichnis und Sprechernamen sind dort ebenfalls verzeichnet.

Zum 200. Geburtstag Bismarcks am 01.4.2015
Otto von Bismarck zählt zu den bedeutendsten Staatsmännern des 19. Jahrhunderts und ist gleichzeitig eine viel diskutierte historische Persönlichkeit. Er stieg ohne jede Regierungserfahrung zum preußischen Ministerpräsidenten auf, führte drei Kriege und setzte die umfassendsten Sozialreformen der deutschen Geschichte durch. Das Scheitern der Demokratie in Deutschland wird nicht zuletzt auf das von ihm geprägte obrigkeitshörige Kaiserreich zurückgeführt.

Auf Grundlage von Bismarcks Selbstzeugnissen, historischen Dokumenten und Gesprächen mit Spezialisten aus Deutschland, England und Frankreich – wie Dr. Katharine Anne Lerman, Prof. Dr. Lothar Gall u.a. – und dem einzigen erhaltenen O-Ton von Otto von Bismarcks aus dem Jahr 1889 schafft Frank Eckhardt einen ausgewogenen Blick auf den Politiker.

Das Feature besteht aus insgesamt elf Kapiteln. Diese sind: »Einführung«, »Jugendjahre eines preußischen Junkers«, »Der Weg in die Politik«, »Der Diplomat«, »Die ersten Jahre als Ministerpräsident«, »Der Reichsgründer«, »Gesundheitliche Probleme«, »Bismarcks Außenpolitik nach 1871«, »Kulturkampf und Sozialistengesetze«, »Der Lotse geht von Bord« und schließlich »Bismarck: Idol, Diktator, Dämon?«

Willkommen im Bismarck Jahr!

Das Jahr 2015 ist – wie so oft – auch ein Jahr der Jubiläen. Auf der langen Liste der Jubilare befinden sich illustre Namen, darunter der im Jahre 1165 geborene spätere Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich VI. {850. Geburtstag}, der Politiker August Bebel {175. Geburtstag}, der Schriftsteller Kurt Tucholsky {125. Geburtstag} oder die Mystikerin Theresia von Avila {500. Geburtstag}. Und natürlich der 200. Geburtstag von Otto von Bismarck.
Einige Publikationen sind schon im vorangegangen Jahr erschienen. Weitere, die uns zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Politiker einladen, folgen in den kommenden Monaten. Wer – aus welchem Grund auch immer – die Lektüre eines dieser zum Teil dicken Wälzer scheut, sollte beherzt zu diesem Hörfeature greifen. Geboten werden zwei Stunden geballte Information über Bismarcks Leben und Schaffen.

»Ich werde entweder der größte Lump oder der erste Mann Preußens.«

Eckhardt zeichnet das Leben des Politikers chronologisch nach. Etliche Zitate von Bismarck, der ein passionierter Briefeschreiber war, spiegeln dabei seine politische Haltung, seine Gedanken- oder Gefühlswelt wider. Ob es nun die verhasste ›Plamansche Anstalt‹ betrifft, in welche ihn seine Eltern schickten und ihn damit aus seinem geliebten, ländlichen Umfeld herausrissen, seine Zeit als Junker oder jene als Reichskanzler. Eckhardt gestattet den Blick auf den ›ganzen‹ Bismarck: Der als Student seine Studien vernachlässigte, einen immensen Schuldenberg anhäufte und immerzu in eine andere verliebt war. Den preußischen Junker, der seine »Gäste mit freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch« trank, an Einsamkeit litt und – wie Lothar Gall es ausdrückt – in ›einer schweren Lebenskrise‹ steckte. Der pietistische Kreis um Adolf von Thadden stärkte Bismarck und bewahrte ihn davor in noch tiefere Depression abzugleiten. In diesem Kreis lernte er Johanna von Puttkamer kennen, die Frau, die ihm fast ein halbes Jahrhundert nicht nur Ehefrau, sondern auch engste Vertraute und wichtigste Gesprächspartnerin wurde. Und hier lernte er auch die für seine politische Karriere wichtigen Brüder Ernst Ludwig und Leopold von Gerlach kennen. Kurz aber intensiv werden Bismarcks Weg in die Politik, sein Dasein als Diplomat und sein fulminanter Aufstieg zum Ministerpräsidenten nachgezeichnet. Er, der Musik [Politik] machen wollte wie er sie gut fand, ging mit seinen Kontrahenten dabei nicht eben zimperlich vor. Reichsgründung, drei Kriege, Sozialversicherungsgesetze und Sozialistengesetz, das heißt, das Verbot der sozialistischen Partei wie auch die Einführung der zivilen Ehe setzte er aus politischem Kalkül durch. Alle diese Lebensabschnitte- und Bereiche werden komprimiert aber sorgfältig vorgestellt und analysiert. Ebenfalls zu Wort kommen der deutsche Historiker Lothar Gall und die englische Historikerin Katherine Anne Lerman. Sie erklären geschichtliche Zusammenhänge, liefern eventuelle Gründe für die Handlungen Bismarcks und verschaffen dem ›Bismarck-Neuling‹ so die Möglichkeit einer Einordnung komplexer Geschehnisse.

Bismarck im Ohr – die Mär von der Fistelstimme

Als Bismarck-Zitator hat die Produktion in dem Sprecher Walter Renneisen die absolute Idealbesetzung gefunden. Das lässt sich nicht anders sagen. Renneisen verleiht dem rhetorisch versierten Bismarck eine ausdrucksstarke, überzeugende Stimme. Das ist wohltuend, denn eine Fistelstimme, so wie leider auch dieses Feature dem Kanzler hartnäckig attestiert, hat Bismarck nie gehabt. Statt dessen trug er seine scharfzüngigen Reden im sonoren Bass vor.
Die Besetzung der anderen Sprecherinnen und Sprecher ist ebenfalls gelungen. Sie alle – Torben Kessler { Sprecher} , Ilona Strauß { Sprecherin} , Moritz Stoepel {Zitator} , Sylvia Heid {Zitatorin} und Jesko von Schwichow { Zwischentitel} – übernehmen eindeutige Parts und erleichtern es dem Hörer somit sich im Dickicht der Geschichte zurechtzufinden. Lothar Gall und Katherine Anne Lerman komplettieren das stimmliche Oktett.

Fazit:

Eckhardt liefert mit »Otto von Bismarck« ein ›Rund-um-Sorglos-Bismarck-Paket‹: komplexes Geschichtswissen fachlich präzise und dabei spannend, kurzweilig und informativ aufbereitet. Eine rundherum gelungene Produktion, die Neugier auf eine intensivere Beschäftigung mit Bismarck weckt.
Manko: der versprochene, einzig erhaltene O-Ton Bismarcks aus dem Jahr 1889 {Phonograph} hat es nicht auf eine der beiden CDs geschafft. Für alle Neugierigen gibt es weiter unten einen Link zum Bismarck O-Ton.

Der Lotse geht von Bord
Wer kennt diese Karikatur nicht? Sie fehlt in wohl keinem Geschichtsschulbuch. Sir John Tenniels Karikatur »Der Lotse geht von Bord«. Damals, im März 1890, erschien sie in dem britischen Magazin ›Punch‹. Dargestellt ist Bismarcks unfreiwillige Abdankung. Endlich ist es der Clique, die sich um den jungen Monarchen geschart hatte, gelungen den verhassten Alten loszuwerden.
»Sechs Monate will ich den Alten verschnaufen lassen«, so Wilhelm II. bei Amtsbeginn, »dann regiere ich selbst.« Im März war das Ultimatum um – und Deutschland schlug fortan einen anderen Kurs ein. Der geschasste Bismarck charakterisierte den »Brausekopf« – wie er Wilhelm II. nannte – wie folgt: »[…] [Wilhelm II.] könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen.«

Auf der Website des Hörverlages gibt es weitere Informationen sowie eine Hörprobe.

Link zum O-Ton von Otto von Bismarck auf der Website der FAZ.

Zitate: Frank Eckhardt, »Otto von Bismarck«, Der Hörverlag 2014