Once Upon A Time in … Hollywood

Histo Journal Cinema: »Once Upon A Time in … Hollywood«

Filmkritik von T.M. Schurkus

Nur ein toter Hippie ist ein guter Hippie

© Filmplakat Sony Pictures

Once Upon A Time in … Hollywood, USA 2019
R: Quentin Tarantino
D: Leonardo di Caprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino
Kinostart: 15.08.2019

Nur ein toter Hippie ist ein guter Hippie

Quentin Tarantinos »Once Upon A Time in … Hollywood«

Bevor der Film anlief, habe ich von einigen gehört: »Ich mag Tarantino-Filme nicht«, und das ist ein Lob. Es heißt nämlich, dass Tarantino-Filme sich von allen anderen immer erkennbar unterscheiden, dass sie eine »Handschrift« haben. Zu sagen, dass diese Handschrift vor allem in Gewalt besteht, wäre zu ungenau: In allen Hollywood-Action-Filmen ist Gewalt das tragende Element. Es geht bei Tarantino um eine Gewalt, die unverhältnismäßig ist, die zunächst eine korrektive Funktion zu haben scheint und dann ins Exzess mündet und das Bündnis zwischen Zuschauern und Held oder Heldin in Frage stellt oder sogar unmöglich macht, denn solche Gewalt setzt Mitleidlosigkeit voraus.

Die Manson-Morde scheinen daher als Thema eine Unabdingbarkeit in Tarantinos Filmografie zu sein. Der Mann, nach dem die Morde benannt wurden, Charles Manson, war bei der Tat nicht anwesend. Mitglieder seiner »Familie« – eine Hippie-Kommune – drangen im August 1969 in das Anwesen von Roman Polanski ein, ermordeten seine hochschwangere Frau Sharon Tate und vier weitere Personen mitleidlos, bestialisch, scheinbar ohne Motiv. Mit den Manson-Morden endete die Unschuld der Hippie-Bewegung und also auch der »Spirit of the Sixties«: Drogen, freie Liebe, Abkehr vom Establishment. Eine Zeitzeugin formulierte es so:
»Vor den Manson-Morden hat doch niemand in den Hollywood-Hills sein Haus abgeschlossen, warum denn auch?« – heute undenkbar.

With a little Help of my Friends

Die beiden Hauptfiguren der Geschichte Rick Dalton, ein Schauspieler {Leonardo DiCaprio}, und sein Stuntman Cliff {Brad Pitt} halten nicht viel von der Hippie-Bewegung, die beiden gehören zum Establishment. Ihr Hollywood ist nicht die liberale, bunte Gegenwelt, in der Menschen ihre Träume verfolgen und andere inspirieren; dieses Hollywood ist eine Profit geile Verschleißmaschine und Rick ist schon fast verschlissen, er war ein Western Star der »sauberen« Tage, als man nie Blut auf der Leinwand sah, aber jetzt ist er »out«, soll als Schurke verheizt werden. Sein Agent – gespielt von Al Pacino – verkauft ihm das als neuen Karriereschritt. Hollywood ist auch ein Ort der größten Lügen. Mit Rick untergehen wird sein Stuntman, einer der es ohnehin nicht richtig geschafft hat und sinniger Weise auf einer wilden Müllkippe hinter einem Autokino lebt. Er ist für den Star Mädchen für alles: Chauffeur, Hausmeister, Therapeut. Und hier hat der Film seinen Gegenentwurf zu Lügen und Wegwerfkarrieren: Die Freundschaft, genauer: Die Männerfreundschaft. Denn obwohl der eine im Wartesaal zur Ersten Klasse lebt und der andere in die Dritte Klasse abgesunken ist, irritiert das die Freundschaft keinen Moment. Hier darf man mit Hollywood immer noch träumen. Denn die Unzerbrechlichkeit dieser Freundschaft verhindert schließlich die Manson-Morde.

This is the Dawning of the Age of Disney

Diese Abkehr von der Historie nimmt man gerne mit, weil das Wechselspiel von Pitt und DiCaprio überzeugt – sie hatten sichtlich Spaß daran, ihren Berufsstand auf die Leinwand zu bringen; Brad Pitt lässt seinen Auftritt in »Fight Club« noch einmal aufleben, als er Bruce Lee zusammen schlägt {was dessen Sohn harsche Kritik am Film üben ließ}; und die Szene, in der DiCaprio sich von einer altklugen 10jährigen darüber belehren lassen muss, wie man sich richtig auf eine Rolle vorbereitet, wird wohl seinen Platz in der Filmgeschichte finden. »Once Upon« hat einige Längen, wenn es um die Darstellung von Filmarbeit geht, aber man hört und sieht genau hin, weil es womöglich um ein Vermächtnis geht: Tarantino kündigt das Ende seiner Karriere an. Und als Cineast empfindet man Wehmut, denn zu gut kann mich sich daran erinnert, dass dieser Regisseur zur Avantgarde gehörte und seine Hauptdarsteller die Youngsters in Hollywood waren. Was kommt danach? Die US Filmindustrie befindet sich {wieder einmal} im Umbruch, die Zentrierung auf den Disney-Konzern lässt immer weniger Original-Formate zu.

»And I´ll bring you fire«

Hat Tarantino auch ein {selbstkritisches oder selbstironisches} Fazit über sein Filmschaffen versteckt? Als den mordlüsternen Manson-Anhängern der Zugang zum Polanski-Anwesen verwehrt wird, kommen sie zu der Einsicht, dass jeder Filmschaffende einen grausamen Tod verdient, denn: »Sie haben uns Jahre lang Morde auf dem Bildschirm sehen lassen.« Sie bekommen also nur ihre eigene Medizin zu schmecken oder eben nicht.
Eine Wohlfühlmoral hat auch dieser Tarantino-Film nicht zu bieten, das macht seine Filme vielleicht bei manchen unbeliebt. Falls man etwas aus »Once Upon A Time in …Hollywood« lernen will, dann dass man sich immer gut um seinen Hund kümmern sollte – er könnte dein Leben retten – und lass es nicht an deinen Freunden aus, wenn dein Leben nicht ganz so verläuft, wie du es gerne hättest. Dann wird am Ende alles gut, sogar besser als die Wirklichkeit, und die Helden dürfen in eine bessere Welt gehen.

Fazit

Vordergründig ein Film für Film- und Musikfans; darüber hinaus ein Film über Lebensentscheidungen und Lebensentwürfe, die in der Lage sind, Geschichte einen anderen Verlauf nehmen zu lassen.

Histo Journal Filmpunkte: 5 von 5