Hörbuch: Die fremde Königin von Rebecca Gablé

Histo Journal Hörbuch Rezension: »Die fremde Königin« von Rebecca Gablé

Gehört & notiert von Alessa Schmelzer

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Inhalt
Anno Domini 951: Der junge Gaidemar, ein Bastard vornehmer, aber unbekannter Herkunft und Panzerreiter in König Ottos Reiterlegion, erhält einen gefährlichen Auftrag: Er soll die italienische Königin Adelheid aus der Gefangenschaft in Garda befreien. Auf ihrer Flucht verliebt er sich in Adelheid, aber sie heiratet König Otto.
Dennoch steigt Gaidemar zum Vertrauten der Königin auf und erringt mit Otto auf dem Lechfeld den Sieg über die Ungarn. Schließlich verlobt er sich mit der Tochter eines mächtigen Slawenfürsten, und der Makel seiner Geburt scheint endgültig getilgt. Doch Adelheid und Gaidemar ahnen nicht, dass ihr gefährlichster Feind noch lange nicht besiegt ist, und als sie mit Otto zur Kaiserkrönung nach Rom aufbrechen, droht ihnen dies zum Verhängnis zu werden …

Hörprobe und weitere Informationen finden sich auf der Website des Verlags.

LÜBBE AUDIO
Hörbuch
Preis: 29,00 Euro
934 Minuten
Schuber mit zwei Digifiles zu 6 CDs
ISBN: 978-3-7857-5472-6

»Wenn Ihr leben wollt, müsst Ihr graben.«

Diesen ungewöhnlichen Tipp setzt Adelheid von Burgund in die Tat um. Sie gräbt und gräbt und gräbt. Ausdauernd, unerschrocken und mutig schaufelt sie sich kraft ihrer eigenen Hände den Weg aus dem Verlies hinaus, in das Berengar von Ivrea sie zwecks ›Meinungsänderung in Ehefragen‹ geworfen hat. Adelheid – kaum zwanzig Jahre alt und schon verwitwet, Mutter einer dreijährigen Tochter und eine burgundische Prinzessin – ist das, was man eine ›gute Partie‹ nennt. Denn sie ist dank ihres Gatten Lothar nicht nur eine unermesslich wohlhabende Frau, sondern auch rechtmäßige Königin von Italien. Der machthungrige Berengar beförderte König Lothar mittels Gift ins Jenseits, kidnappt Adelheid und will sie in eine Ehe mit seinem Sohn zwingen. Ein Plan, den diese nach Kräften durchkreuzt und stattdessen Otto I. um Hilfe bittet. Der reagiert sofort und schickt – auf Anraten seines unehelichen Sohnes Wilhelms – den Panzerreiter Gaidemar nach Garda, um Adelheid aus den Klauen Berengars zu retten. Als verkleideter Mönch kann er zu Adelheid in den Hof der Burg vordringen und ihr zuraunen: »Wenn Ihr leben wollt, müsst Ihr graben.« {CD 1, Track 1}
Mit Verve erzählt Gablé Adelheids Geschichte. Beginnend bei der Gefangenschaft und abenteuerlichen Flucht, der Heirat mit Otto I., der Schlacht auf dem Lechfeld, bis hin zur avisierten Kaiserkrönung – nichts lässt Gablé aus, nichts bleibt unerwähnt. Adelheid, die Starke und Unerschütterliche, die gemeinsam mit ihrem Gemahl die Weichen für den Erfolg des ottonischen Herrschergeschlechts stellt. Seit der Flucht aus Garda treu an ihrer Seite ist Gaidemar, der alles dransetzt, um seine Königin, in die er sich nahezu vom ersten Augenblick an verliebt hat, zu beschützen. Gemeinsam mit Adelheid und Gaidemar erlebt der Hörer ein spannendes Geflecht aus Intrigen, Machtsicherung, Liebe, Hass und Vergeltung …

Adelheid – eine der faszinierendsten Frauengestalten der Geschichte

Gablés Romane versprechen immer das gewisse Etwas, das was einen guten historischen Roman von einem außergewöhnlichen unterscheidet. Die junge Adelheid in den Fokus der Handlung zu setzen beweist dies einmal mehr. Andere hätten vielleicht eine Geschichte über die schillernde Theophanu erzählt. Es war jedoch Adelheid, die zur mächtigsten Frau der Ottonen heranreifte, die die Fäden in der Hand hielt, visionär dachte und handelte, nicht besagte byzantinische Prinzessin. Adelheid zählt meiner Meinung nach zu den faszinierendsten Frauenfiguren der Geschichte. Und tatsächlich sehen heutige Historiker in ihr eine entscheidende Figur im Hinblick auf die imperiale Ordnung Europas. Eine Ordnung wohlgemerkt, die noch bis ins frühe 19. Jahrhundert hineinreichte. Trotz ihres junges Alters agierte sie strategisch klug und verfügte über ein imposantes Netzwerk wichtiger Verbindungen, das sie sich schon zu Beginn ihres jungen Lebens aufgebaut hatte. Einer von ihnen war der Bischof von Regio, dem sie wahrscheinlich sogar ihr Leben verdankte. Adelheid muss eine tolle Frau gewesen sein. Charakterstark, gebildet, selbstbeherrscht, gütig, mutig und für die damalige Zeit als Frau ungemein selbstbewusst. Gar nicht auszudenken, wenn sie statt Adelheid Adalbert geheißen hätte …

Wer »Das Haupt der Welt« gelesen hat, wird sich über das Wiedersehen mit einigen altbekannten Figuren freuen. Gut, vielleicht nicht unbedingt über das Hennings, Ottos Bruder, dessen intrigantes Wesen einfach nicht klein zu kriegen ist. Henning ist kein Mann, der einem durch sein großmütiges Wesen ans Herz wächst. Otto I. muss den Begriff ›Familiensinn‹ geprägt haben, so gerne und häufig wie er dem Bruder verzieh …
In »Die fremde Königin« liegt der Fokus der Handlung jedoch eindeutig auf der historisch verbürgten Adelheid und der ihr zur Seite gestellten fiktiven Figur Gaidemar. Als Hörer folgen wir ihnen sozusagen auf Schritt und Tritt, weichen ihnen nicht von der Seite und erhalten tiefe Einblicke in ihr Denken und Fühlen. Es ist eine fesselnde Reise durch alle Höhen und Untiefen menschlichen Daseins auf die Gablé ihre Hörer mitnimmt.

›The Voice‹

In Ausgabe 20/2017 kletterte »Die fremde Königin« auf Platz 5 der Hörbücher Bestsellerliste. Insgesamt blieb es acht Wochen auf dieser Liste, die nicht nur Verlage beglückt, sondern Autoren in ihrem Tun, dem Schreiben nämlich, bestärkt.
Seit Jahren setzt der Lübbe Verlag bei den Produktionen der Gablé Hörbücher auf ein bewährtes Team, das sich um die Kürzung der Romanfassung, den Sound und die Musik kümmert. Last but not least gehört zwingend Detlef Bierstedt dazu, ohne dessen Stimme ein Gablé Hörbuch kein Gablé Hörbuch wäre. Wie kein anderer Sprecher scheint er mit dem Gablé Universum – seien es nun die Warimghams oder die Ottonen – aufs Engste verwoben zu sein. Artikuliert stößt er in jeden noch so kleinen Winkel der Geschichte vor und bringt die Gefühle, Stimmungen und die Komplexität der Figuren und der Handlung auf den Punkt. Bierstedts melodiöse, kraftvolle Stimme bedient die ganze emotionale Bandbreite, die den Hörer in den tonalen Hörbuch-Himmel katapultiert.

Extras

Eine Hörbuch aus dem Hause Lübbe Audio ist ein Schmuckstück, das keine Wünsche offen lässt. Der schön gestaltete Schuber enthält zwei Digifiles mit sechs CDs. Zur besseren Orientierung in der Geschichte gibt es auf den Innen- und Außenseiten der CD-Kartonstecktaschen Abbildungen des Stammbaums der Ottonen sowie eine Karte des Reichs Ottos I. um 962. Daneben findet der Hörer eine ausführliche Auflistung der historischen und fiktiven Figuren sowie je eine Kurzvita der Autorin und des Sprechers. Zudem finden sich zwei Zitate auf einem der Digifiles. Eines ist aus Schillers »Kabale und Liebe« entnommen und stammt, hier ganz passend, von Luise. Das andere Zitat stammt von der Autorin selbst und findet sich auch in dem Nachwort des Romans. Es lautet: »Hätte ich gewusst, in welchem politischen Klima dieser Roman erscheinen würde, hätte ich ihn vielleicht nicht geschrieben. Otto der Große wird aufgrund seiner Ausweitung des Reiches und seines Sieges über die Ungarn auf dem Lechfeld seit Jahrhunderten von nationalistischen Wirrköpfen, von Nazis und Rassisten als angeblicher Beweis für die Überlegenheit des deutschen Volkes missbraucht. Von dieser Deutung distanziere ich mich ausdrücklich.«
Wir dürfen diesen Menschen nicht die Vereinnahmung unserer Geschichte für derartige krude Gedanken überlassen. Umso wichtiger und wundervoller ist es, einen intelligenten Roman wie »Die fremde Königin« lesen und gegen diese Stimmen halten zu können.

Fazit

Never change a winning team. – So oder ähnlich könnte Gablés Motto für einen gelungenen Roman lauten und es ist wunderbar, dass sie ihrem bewährten Rezept auch in »Die fremde Königin« treu geblieben ist und meisterhaft historische Begebenheiten mit fiktiver Dichtung verbindet. Wie immer, so ist auch dieser Roman geschichtlich absolut hieb- und stichfest, aber sobald es irgendwo eine Lücke in der historischen Überlieferung gibt, versteht Gablé diese glaubhaft zu füllen.
Bierstedts kraftvolle Stimme bedient die ganze emotionale Bandbreite und katapultiert den Hörer in den tonalen Hörbuch-Himmel.

Die Autorin

Rebecca Gablé wurde am 25. September 1964 in einer Kleinstadt am Niederrhein geboren. Nach einer Lehre als Bankkauffrau und anschließender vierjähriger Tätigkeit in diesem Beruf, studierte sie ab 1990 Literatur in Düsseldorf, dessen Schwerpunkt sich mehr und mehr zur Mediävistik – der Lehre vom Mittelalter – verlagerte. 1995 erschien ihr erster Kriminalroman »Jagdfieber« im Lübbe Verlag. Dieser wurde 1996 für den Friedrich-Glauser-Krimipreis nominiert. Seit 1996 arbeitet sie als freie Schriftstellerin. Alle ihre historischen Romane sind Bestseller geworden. 2006 erhielt sie für ihren Roman »Die Hüter der Rose« den Sir Walter Scott-Preis. Rebecca Gablé lebt mit ihrem Mann am Niederrhein und auf Mallorca.

Website der Autorin

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