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Underground Railroad

Underground Railroad –

Als ich mit der Lektüre von »Underground Railroad« begann, sah ich im Fernsehen einen Bericht über Frauenmangel in China als Folge der Ein-Kind-Politik. Ein Bauer erzählte darin, dass er sich auf dem Markt eine Frau aus Vietnam gekauft hätte, die sei ihm aber nach wenigen Tagen davon gelaufen. Er wäre daraufhin zur Polizei gegangen, aber statt ihm zu helfen, belehrte man ihn dort darüber, dass es in China nicht erlaubt sei, mit Menschen zu handeln. Der Bauer war über das Verhalten der Behörden nicht glücklich, immerhin hatte er sich für den Kauf der Frau verschuldet, und er war nach wie vor der Ansicht, dass man ihm zum Recht an seinem Eigentum verhelfen solle.
Sklaverei ist keine gesellschaftliche Verirrung vergangener Zeiten, auch wenn sie keine gesetzliche Verankerung mehr besitzt. Und so kann man den Roman von Colson Whitehead auch nicht als historischen Roman bezeichnen: Unter Verwendung surrealer Elemente, die manchmal in die beklemmenden Szenarien von Horror-Filmen münden, hebt er das Thema auf eine allzeitliche Ebene.

Ist Südstaatenromantik harmlos?

Dabei lebt und leidet seine Heldin Cora unverkennbar auf einer Plantage des Alten Südens; die Schilderung des Sklavenlebens ist eine offene und in ihrer Deutlichkeit schockierende Anklage – nicht nur der Zustände, die mit dem Ende des Bürgerkriegs 1865 vorüber waren. Es ist vielmehr eine Punkt für Punkt-Abrechnung mit der Literatur {und den Filmen}, die den Alten Süden verklären und romantisieren. Ob »Vom Winde verweht« oder »Fackeln im Sturm« und das Meer der Trivialliteratur, in der gerüschtes Liebesleid für ein weißes Publikum beschrieben wird: Das Bild der »Lebensgemeinschaft« Plantage bestehend aus weißer Fürsorge und schwarzer Treue scheint unausrottbar und befeuert die gesamte Tourismus-Industrie des amerikanischen Südens. Aus deutscher Wahrnehmung scheinen die Plantagenromanzen harmlos, in den USA sind sie Teil eines Kampfes um Deutungshohheit. Oft schon wurde …

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