Jörgen Bracker – Spielmanns Fluch

Kurz & Knapp: Jörgen Bracker »Spielmanns Fluch«

Gelesen & Notiert von Ilka Stitz

Inhalt
»Spielmanns Fluch«
Die Truppen des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg plündern und brandschatzen die Vierlande. Festungsbaumeister von Valckenburgh soll die Eindringlinge zurückschlagen. Als Späher ist ihm der ortskundige Bauernjunge Jonas behilflich, der durch Zufall einem Kreis von Waffenschmugglern und ihren korrupten Gewährleuten im Hamburger Stadtrat auf die Schliche kommt. Mehr beschäftigen ihn derzeit die Liebe zur Musik und die bezaubernden Lieder John Dowlands! Sie treiben ihn in die Arme des calvinistischen Spielmanns Václav, der zusammen mit dem aus Prag geflohenen Winterkönig 1621 nach Hamburg kommt. Václav sucht in Hamburg nach Möglichkeiten, sich an den katholischen Mördern seines Vaters zu rächen und hofft auf die Unterstützung durch den Geliebten. Jonas gerät dadurch in Loyalitätskonflikte mit Valckenburgh und verheddert sich in einem Netz aus erotischen Spannungen, religiösen Intrigen und Winkelzügen gewissenloser Waffenschmuggler, das ihn und seine Freunde an den Abgrund des Verderbens geraten lässt – und elbabwärts in eine Flammenhölle.

Buchinfo:
TB {Husum Verlag}
224 Seiten
EUR 15,95
ISBN: 978-3-89876-801-6

Erschienen im Husum Verlag. Zur Website des Verlages.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Autors.

Das Geschäft mit dem Krieg

Es ist eine Wohltat, wenn ein Autor historischer Romane weiß, wovon er schreibt. Das ist bei Jörgen Bracker im höchsten Maße der Fall. Ob es die Hamburger Geschichte betrifft oder das Wesen des Schiffsbaus und -verkehrs, Bracker ist hier wie dort zu Hause. Und das spürt man bei seinem Roman »Spielmanns Fluch“ in jeder Zeile. Zumal Bracker zu jenen Autoren gehört, die einen ureigenen Stil und erzählerischen Ton gefunden haben, den man sofort wiedererkennt.

Das Thema des Romans könnte aktueller kaum sein: Es geht um große Geschäfte, um Korruption und Waffenschmuggel. Und da der Roman in Hamburg spielt, damals wie heute eine der bedeutendsten Handelsmetropolen und Warenumschlagplätze, ist es internationaler Waffenhandel im ganz großen Stil. Zudem versprechen die aktuellen politischen Ereignisse hohe Gewinne: Der Roman beginnt 1620, der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Die katholischen Spanier sind auf dem Vormarsch, sie wollen die Protestanten zum rechten Glauben zurückführen. Um ihr Ansinnen mit dem nötigen Nachdruck durchzusetzen, brauchen sie Waffen und Munition. Sofort wittern die deutschen Waffenhändler lohnende Geschäfte, denn die Spanier zahlen bereitwillig die höchsten Preise für Pulver und Geschütze.

Unversehens wird der ortskundige Bauernjunge Jonas mit dem Kriegsgeschehen konfrontiert. Fintenreich hilft er, den Einfall marodierender Söldner abzuwehren und fällt dadurch dem von den Hamburgern angeworbenen General van Valckenburgh ins Auge, der unter anderem die Verteidigungsanlagen der Stadt modernisieren und ausbauen soll. Schnell erkennt der Festungsbaumeister den hellen Verstand des Jungen und nutzt ihn bald für ganz besondere Zwecke: Jonas soll helfen, die Waffenschieber zu entlarven und Licht in das Dickicht der im Rat offenbar allgegenwärtigen Korruption bringen.

Der junge Mann meistert seine Aufgaben mit Bravour und genießt des Festungsbauers vollstes Vertrauen – bis Jonas den Lautenspieler Václav kennenlernt. Der Sohn des Prager Universitätsdirektors gehört zu den Calvinisten, die durch die vorrückende katholische Liga verfolgt werden. Václav konnte im Gefolge des aus Prag geflohenen Königs Friedrich von Böhmen und dessen englischer Frau Elisabeth Stuart aus Prag fliehen und plant, sich in Hamburg niederzulassen. Aber auch in Hamburg sind Calvinisten Anfeindungen ausgesetzt. Und Václav ist nicht nur Calvinist, muss Jonas erkennen, der sich vom ersten Augenblick an zu dem Lautenspieler hingezogen fühlt. Schnell kommt der Verdacht der sogenannten »stillen Sünde“ auf, ein Verdacht, der durchaus begründet ist. Jonas und Václav drohen schwere Strafen, entdeckte man ihre Liebschaft. Doch dies sind nicht die einzigen Verwicklungen, denen sich Jonas ausgesetzt sieht, denn seine eigene Herkunft ist geheimnisumwittert.

Bracker erzählt die Geschichte des Bauernjungen Jonas, der sich zum Adjutanten des Festungsbauers Valckenburgh mausert, geradlinig auf das fulminante Finale hin. Seine bildhafte Sprache machen die Lektüre zu einem großen Genuss. »Die Dunkelheit leugnete den Beginn des Tages. Eine Wolkendecke bis zum Horizont drückte jeden Tatendrang zu Boden. Ein schneidender Nordostwind fegte durch die Straßen, ließ die Fenster klirren, die Türen rappeln. Und er, Jonas, er musste hinaus zum Oberhafen und auf die Elbe!« {S. 85}

Dieser Ton zeichnet den ganzen Roman aus. Ein dem historischen Roman angenehm zu Gesicht stehender Sprachduktus, der mit seinen vielen Bildern lange im Gedächtnis bleibt.

Jörgen Bracker erweist sich als intimer Kenner der Materie: Er war schließlich lange Jahre Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte. In seinem ausführlichen Nachwort erläutert er das historische Umfeld des Romans und erlaubt dem Leser einen Einblick in seinen Wissensfundus.

Für die Leser, die das Thema weiter vertiefen wollen, bietet die ausführliche Literaturliste am Ende des Buches eine gute Übersicht.

Der Autor

Jörgen Bracker studierte Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Alte Geschichte in Marburg und Kiel. Promotion in Münster. Zehn Jahre wirkte er am Römisch-Germanischen Museum in Köln bei Ausgrabungen, Ausstellungen und vor allem bei der wissenschaftlichen Konzeption der Dauerausstellung im Museumsneubau an der Südseite des Kölner Doms mit. Ab 1976 Direktor des Museums für Hamburgische Geschichte. Nach seiner Pensionierung mit Jahresende 2001 widmete er sich leidenschaftlich der allgemein bildenden Wirkung durch den Historischen Roman.
Nach dem Erwerb eines 1912 erbauten Krabbenkutters {1980} ist er ehrenamtlich für den Museumshafen Oevelgönne als Mitglied und Vorsitzender tätig. Außerdem ist er Ehrenmitglied des Vereins der Freunde des Museums für Hamburgische Geschichte und der Deutschen Seefahrtsgeschichtlichen Kommission.