Daniela Ohms – Winterhonig

Kurz & Knapp: Daniela Ohms »Winterhonig«

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

Inhalt
»Winterhonig« erzählt von einer lebensgefährlichen Liebe in einer archaischen, grausamen Welt, die noch gar nicht so lang Geschichte ist. Inspiriert von den Erlebnissen ihrer eigenen Großmutter, lässt uns Daniela Ohms die Zeit des Zweiten Weltkriegs aus Sicht der Landbevölkerung erleben: Das harte, entbehrungsreiche Leben, das Mathilda als zehntes Kind eines Bauern führt; die Anstrengungen, die der junge Karl unternimmt, um seine Abstammung vor den Nazis geheim zu halten; die Liebe der beiden, die nicht sein darf, bringt sie Mathilda doch in große Gefahr; die Schrecken des Krieges, der drohende Tod durch Bomben oder Verrat. Und über allem die Hoffnung.

Buchinfo:
Hardcover {Knaur HC} ⎟ 01. April 2016 ⎟ 592 Seiten ⎟ EUR 19,99 ⎟ ISBN: 978-3-426-65397-5

Erschienen im Knaur Verlag. Leseprobe auf der Website des Verlages.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Autorin.

Eine fast wahre Geschichte

Den meisten Leserinnen und Lesern ist die Autorin Daniela Ohm aus einem ganz anderen Genre bekannt. Unter dem Namen Daniela Winterfeld erschien {ebenfalls im Knaur Verlag} der Fantasyroman »Der geheime Name«, eine Art Rumpelstilzchen-Adaption. Als Daniela Ohms schrieb sie bislang vor allem Jugendromane {»Harpyienblut«}. Mit dem historischen Roman »Winterhonig« wagt Ohm den Sprung in ein neues Genre – und überzeugt. »Ganz egal, ob ich eine Geschichte realistisch oder als ›modernes Märchen‹ aufbaue, mir geht es immer darum, etwas Wahres zu erzählen, etwas über die Menschen, über die Dinge, Ereignisse und Fragen, die uns bewegen und mitfiebern lassen«, ist auf der Website der Autorin Daniela Ohms zu lesen. In »Winterhonig« ist ihr das auf ebenso einfühlsame wie spannende Weise gelungen.
Worum geht? In den Wirren des Zweiten Weltkrieges verlieben sich Mathilda und Karl ineinander. Eine eher ungünstige Liebeskombination, denn Karl, das ist dem Leser recht schnell klar, trägt ein Geheimnis in sich, dass zu enthüllen in der Zeit von 1933 bis 1945 nicht ratsam war. Doch Liebe fragt nicht, ob Zeit, Ort und involvierte Personen passend sind, sondern fordert. »Wir hoffen immer, und in allen Dingen«, heißt es im Torquato Tasso von Goethe. Diese Hoffnung schlummert auch in Mathilda und Karl, doch eine jede auf eine andere Art und Weise, ohne das Wissen, dass diese sich irgendwann als Wahrheit herausstellen könnte. Als nachfolgende Generation wissen wir heute um den Anfang, das Ende und um die Gräueltaten, die im nationalsozialistischen Terror tagtäglich stattfanden. Wissen um das Schicksal der Juden und solcher Menschen, die nicht in die Ideologie der Nationalsozialisten passten. Mathilda und Karl indes müssen in dieser Zeit {über}leben und so verwundert es nicht, dass Karl sich zur Wehrmacht meldet, dort quasi untertaucht und Teil einer Reitereinheit unter der Leitung der Brüder von Boeselager wird. Ohms zeichnet Karl als verantwortungsbewussten und loyalen Mann, der sich auch in der Wehrmacht als ein Mensch moralischer Prinzipien beweist. Ein edler Charakterzug der den jungen Mann geradezu für den Widerstand gegen das Regime prädestiniert …

»Du hast ein Recht auf die Wahrheit, auf die ganze Wahrheit.« Karl {Winterhonig, S. 461}

Wer nun glaubt mit »Winterhonig« vor allem einen rührseligen Liebesroman vor historischer Kulisse in den Händen zu halten, der irrt. Ohms umschifft gekonnt die Klippen gefühlsduseliger Momente, denn an keiner Stelle gerät die Geschichte zu melodramatisch-kitschig. Stattdessen bietet sie ›echte‹ Gefühle, die der Leser nachvollziehen kann, gibt Einblicke in das Leben einer Familie, die die Veränderungen der Menschen um sie herum in der Nazizeit mit Staunen und Missfallen betrachtet und nebenbei – wie so viele andere auch – herbe Schicksalsschläge zu erleiden und zu verarbeiten hat.
Immerzu springt der Leser zwischen Mathildas und Karls Wirklichkeit hin und her. Anhand eingestreuter Briefe und aufschlussreicher Rückblenden setzt Ohms ihre Leser nach und nach ins Bild darüber, was geschehen ist und aktuell passiert. Dank ihrer feinfühligen Figurenzeichnung – die nicht bei den beiden Hauptfiguren Mathilda und Karl endet, sondern für alle Figuren gleichermaßen gilt – zieht Ohms ihre Leser von Seite zu Seite stärker in die Geschichte hinein. Und so fiebert der Leser mit Mathilda, die manche Härte und manche Entbehrung verkraften muss. Fiebert mit Karl mit, weil er mutig und wahrhaftig ist und für seine Überzeugung zu sterben bereit ist. Sich als ein Mann von Ehre erweist, den der Leser Mathilda an die Seite wünscht, auf dass er sie vor dem Übel der Welt beschütze …

Extras

»Winterhonig« gehört zu den seltenen Romanen, die sowohl mit einem Prolog als auch Epilog aufwarten. Insgesamt ist der Roman in sechsunddreissig Kapitel gegliedert, vorangestellt jeweils Ort und Datum, so dass der Leser sogleich weiß, wo er sich befindet. Lesenswert ist das Nachwort der Autorin, in dem sie nicht nur einiges über ihre Großmutter, die Ideengeberin der Geschichte, verrät, sondern zudem Einblicke in ihre Recherche gibt {inklusive Winterhonig-Rezepte}.

Fazit

Einfühlsam, schonungslos und deshalb überzeugend erzählt Ohms in »Winterhonig« von der Macht der Liebe und der Kraft, die Hoffnung den Menschen verleihen kann.

Die Autorin

Daniela Ohms, geboren 1978, studierte Literaturwissenschaften mit den Nebenfächern Psychologie und Geschichte. Für ihren Roman »Winterhonig« hat Ohms sich durch die Erinnerungen ihrer Großmutter, Jahrgang 1924, inspirieren lassen, die im Paderborner Land als jüngstes Kind einer elfköpfigen Bauernfamilie aufwuchs und in ihrer Jugend die Wirren und Nöte des Zweiten Weltkrieges erlebte.
Daniela Ohms ist neben dem Schreiben in einer Literaturagentur tätig und wohnt mit ihrer Familie in Berlin. Cäcilia Oele {geb. Aring}, ihre Oma, ist inzwischen 92 und lebt in Rheda-Wiedenbrück. Dort hat sie im Jahr 2006 einen Schreibwettbewerb der Lokalzeitung "Die Glocke" gewonnen.