Susanne Goga – Es geschah in Schöneberg

Sein fünfter Fall führt Leo Wechsler nicht nur in die mondäne Welt der Berliner Modeateliers, sondern auch in die der Homosexuellenszene seiner Stadt.

Histo Journal Besprechung: Susanne Goga »Es geschah in Schöneberg«

Gelesen & Notiert von Alessa Schmelzer

Inhalt:
Berlin 1927. Bei einer Modenschau im ›Romanischen Café‹ werden zwei Vorführdamen verletzt: Ihre Kleider wurden mit einem Kontaktgift präpariert. Offenbar ein gezielter Anschlag gegen den Modesalon ›Morgenstern & Fink‹, den aufsteigenden Stern am Berliner Modehimmel. Steckt ein Konkurrent dahinter? Kurz darauf wird in Schöneberg ein Toter gefunden. In seiner Wohnung entdeckt man einen Prospekt des Modesalons. Leo Wechsler, inzwischen Oberkommissar bei der Berliner Kripo, nimmt die Ermittlungen auf.

Weitere Informationen finden Sie auf der dtv Website.

Morgenstern & Fink fiebern ihrer kommenden Modeschau im prestigeträchtigen Romanischen Café in Schöneberg entgegen. Sie sind der neue aufgehende Stern am Modehimmel Berlins, denn ihre Kreationen begeistern nicht nur die Damen der Berliner High Society. Das Event im angesagten Künstlercafé soll den Platz ihres Sterns festigen – und natürlich ihre Mode dauerhaft etablieren. Es steht also viel auf dem Spiel für Lotte Morgenstern und ihren Ehemann Carl Fink, denn erwiese sich die Show als Reinfall, gefielen den Kundinnen die extravaganten, zumal recht kostspieligen, Kreationen nicht, dann könnte sich ihr Stern unversehens in eine Sternschnuppe verwandeln … Womit die beiden Modeschöpfer nicht gerechnet haben, ist indes ein hinterhältiger Anschlag. Der beendet die Show, ehe sie richtig hat starten können. Ein Unbekannter hat zwei spezielle Kleider, mit denen zwei Mannequins das Event glamourös eröffnen sollten, mit dem Gift Capsaicin präpariert. Sofort ist die Lage prekär. Die Models schreien und winden sich vor Schmerz, denn das Gift Capsaicin verätzt die Haut, kaum dass es mit ihr in Berührung kommt. Unvermittelt bricht Panik aus. Die Kundschaft is not amused. Morgenstern und Fink sind es noch weniger. Denn natürlich fragen sie sich sofort, wer diesen feigen Anschlag verübt haben könnte. Und wieso. Immerhin ist es ein Anschlag, dessen Folgen ihre Existenz vernichten kann …

Die deduktive Methode

»Es geschah in Schöneberg« ist Leo Wechslers {oder Leo, wie wir ihn fortan nennen wollen} fünfter Fall im Berlin der 1920er Jahre. Er wird als zuständiger Ermittler mit diesem Fall betraut. Kaum beginnt er jedoch mit seinen Nachforschungen, fördert er auch schon allerlei Ungereimtheiten zutage. So spielt das kreative Ehepaar Morgenstern und Fink offenbar nicht mit offnen Karten: Die Nachforschungen, die Leo über die beiden anstellen lässt, lassen gerade Frau Morgenstern nicht im günstigsten Licht dastehen. Kurz darauf wird ein Mann erschlagen in seiner Wohnung aufgefunden. Schnell ist klar: Das war Mord. Leo ermittelt auch in diesem Fall. Alles deutet darauf hin, dass die beiden Fälle zusammenhängen, es eine Verbindung zwischen der mondänen Modewelt und der homosexuellen Szene geben muss.

Konzentriert nimmt Leo die Fäden der Ermittlungen auf, fügt die Puzzleteile zusammen. Wie immer, beweist er auch in diesem Fall wieder Feingefühl und Empathiefähigkeit, die ihn vor seinen meisten Kollegen auszeichnet. Leo beobachtet, sammelt Fakten und verlässt sich nebenbei auch auf seine Intuition, um diesen Fall zu lösen.

Feinfühlig inszeniert

»Es geschah in Schöneberg« ist ein leiser Krimi, einer, der ganz wunderbar ohne Effekthascherei auskommt. Das ist nicht nur wohltuend zu lesen, es ist vor allem spannungsreich. Die Autorin konzentriert sich ganz auf die Erzählung der Geschichte und rückt die in ihr handelnden Figuren in den Fokus. Goga reichen oftmals nur wenige Attribute aus, um einen Charakter deutlich zu zeichnen, so dass der Leser ihn leibhaftig vor sich zu sehen glaubt. Gogas Sprache ist zwar knapp, aber präzise. Nichts ist überflüssiges Beiwerk. Auch der feine Humor der Autorin kommt in diesem Leo nicht zu kurz. Wie sie Leo zum Beispiel über den Film »Metropolis« {heute ein Klassiker der Filmgeschichte} sprechen lässt, mag dem ein oder anderen Leser schon ein vergnügtes Lächeln ins Gesicht zaubern … 

Leos Berlin

Das Berlin der 1920er Jahre im fünften Leo ist vor allem eines: Weltoffen und tolerant. In etlichen Tanzclubs, Nachtclubs und Salons pulsiert das Leben, amüsieren sich Heterosexuelle, Transvestiten und Homosexuelle sozusagen ›Schulter an Schulter‹. Den Rückschritt, einfühlsam von Goga angedeutet, werden erst später die Nazis einläuten. Es sind düstere, unheilvolle Wolken, die sich im fünften Leo Fall über Berlin zusammenbrauen. Das Unausweichliche lässt noch auf sich warten, aber die ersten Anzeichen sind klar und deutlich zu erkennen. Goga webt diese behutsam in das fesselnde Geschehen ein. Ganz organisch verbindet es sich mit Szenen, die Leo widerfahren, seinem Sohn oder dem kreativen Paar Morgenstern & Fink.

Extras

Auch die optische Aufmachung des Buches überzeugt. Allein die Cover der Leo-Reihe versetzen den Leser ins mondäne Mode-Berlin der 1920er Jahre. Ein ausführliches Nachwort, eine Auflistung aller historischen Personen, die im Roman vorkommen oder genannt werden und die Danksagung der Autorin runden den gelungenen Band ab.

Fazit

Susanne Goga katapultiert ihre Leser unmittelbar in die flirrende Atmosphäre des Berlin des Jahres 1927. Eindringlich und mit sehr viel Feingefühl beschreibt sie Plätze, politische und gesellschaftspolitische Strömungen {Magnus Hirschfeld und Friedrich Radszuweit treten öffentlich für die Abschaffung des Paragrafen §175 ein}, die Lebenssituation homosexueller Menschen in dieser Zeit und lässt damit {nicht nur} die Goldenen Zwanziger Jahre vollendet aufleben.
Eines ist klar: Hat man einen Leo gelesen, will man sie alle lesen. Gogas Leo-Reihe ist ein absolutes ›Must-Read‹.