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Manitoba

Linus Reichlin »Manitoba« –

Manitoba ist kein historischer Roman. Und doch passt er gut in das Konzept unseres Journals. Denn Manitoba ist ein Roman über Geschichte, ihre Bedeutung im Großen wie im Kleinen, über die Vergangenheit und die Erinnerung an vergangenes, im im engen und im weiten, ja weitesten Sinne. Damit wird »Manitoba« zu einem Roman über Identität, über ihr Wesen und ihre Bedeutung.

Am Anfang des Romans steht die Familiengeschichte des Schriftstellers Max Beer: »Es ist eigentlich merkwürdig, dass ich erst jetzt nach Fort Washakie fuhr und nicht schon vor dreißig Jahren. Ich war mit dem Namen dieses Ortes aufgewachsen. … An einem Winterabend, an dem vor dem Fenster meines Zimmers große Flocken fielen und es im ganzen Haus sonderbar still war, saß sie an meinem Bett und erzählte mir mit leiser Stimme von ihrem Großvater, der ein Indianer gewesen sei …« {Seite 5} So beginnt der Roman von Linus Reichlin. Der Ich-Erzähler Max Beer stammt aus der Schweiz, und lebt inzwischen in Berlin {hier weist der Roman durchaus autobiographische Züge auf}. Der Schriftsteller sucht nach einer Geschichte für seinen nächsten Roman und erhofft sich die zündende Idee durch seine indianischen Wurzeln. Er beschließt, das private Interesse an seiner Familiengeschichte mit der Recherche für ein neues Buch zu verbinden. Also bucht er eine Reise nach Amerika, um in den Indianerreservaten nach seinen Wurzeln zu forschen. Außerdem mietet er sich eine Blockhütte in Kanada. Denn nur dort, in der Wildnis Manitobas nahe dem Lac Brochet, kann man noch das ursprüngliche, einfache Leben fern aller Zivilisation kennenlernen.

Die Grundlage seiner Recherche bilden die Tagebücher seiner Urgroßmutter, in denen sie ihre Auswanderung nach Amerika schildert, ihr Leben an der St. Stephen’s Indian Mission in Fort Washakie, in der sie als Lehrerin die Kinder der Arapaho-Indianer unterrichtete. Und die Liebesgeschichte zu Nisono’oho, dem stolzen Indianer.

Damit ist die Route festgelegt und es beginnt die Suche des Max Beer. Sie entpuppt sich zu einer Suche nach Geschichte. Schnell wird klar, ›die‹ Geschichte gibt es nicht. Es handelt sich stets um Geschichte, die aus der eigenen Erinnerung erwächst und deren Beziehung zu derjenigen, die aus den Erinnerungen anderer entsteht. Daher gibt es viele Facetten von Geschichte, sie können wahr oder falsch sein. Geschichte ergibt sich nicht nur aus der Aneinanderreihung von Geschehnissen, sie ist ebenso Tradition, Kultur, die ein Volk, ein Land, eine Gemeinschaft, eine Familie …

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