Histo Journal Interview: Susanne Goga Beruf: Literarische Übersetzerin

Als Autorin schreibt Susanne Goga packende historische Romane und Krimis. Über die Leo-Wechsler-Reihe haben wir just ein ausführliches Interview führen können {hier nachzulesen}. Susanne Goga ist aber nicht nur Autorin, sondern arbeitet auch als Übersetzerin. Ein Interview über die Un-Sichtbarkeit von Übersetzern, die Liebe zur Literatur und ihre bislang größte Übersetzer-Herausforderung.

von Alessa Schmelzer

Foto: © Myriam Topel

Histo Journal: Wie wird man eigentlich Übersetzerin?

Susanne Goga {SG}: Da gibt es die unterschiedlichsten Wege. Ich habe in Düsseldorf Literatur übersetzen studiert, das war damals der erste und einzige Studiengang, der sich ganz aufs literarische Übersetzen konzentrierte. Soweit ich weiß, ist das heute ein Masterstudiengang, ich habe noch ein Diplom gemacht.
Allerdings ist die Berufsbezeichnung Übersetzer/in nicht geschützt, und man gelangt auf ganz unterschiedlichen Wege dorthin, jedoch oft über ein geisteswissenschaftliches Studium.

Histo Journal: Was reizt dich besonders an diesem Beruf?

SG: Mich hat es gereizt, meine Neigung zu Sprachen und meine Liebe zur Literatur miteinander zu verbinden. Es ist sehr spannend, ein Buch in eine andere Sprache zu übertragen und in gewisser Weise neu zu schreiben.

Histo Journal: Auf welche Sprachen hast du dich konzentriert {und warum}?

SG: Ich habe Englisch und Französisch studiert, mich aber ganz auf Englisch spezialisiert. Zum einen, weil mich die Sprache und Literatur der englischsprachigen Länder mehr interessieren, zum anderen aus ganz praktischen Erwägungen, da der weitaus größte Teil der Belletristik aus dem Englischen übersetzt wird.

Histo Journal: Übersetzt du Romane oder auch Sachbücher?

SG: Mit wenigen Ausnahmen übersetze ich Romane und Kurzgeschichtensammlungen. Ich habe auch schon für mich selbst Gedichte übersetzt.

Histo Journal: Vielen Lesern {dies ist zumindest mein Eindruck} ist häufig gar nicht richtig klar, dass etliche Bücher erst einmal ins Deutsche übersetzt werden müssen. Ob nun ein Roman von Robert Harris, J.K. Rowling, Philip Roth,Fjodor Dostojewski … Woran liegt es deiner Meinung nach, dass Übersetzer_innen in der Wahrnehmung buchstäblich ›unter den Tisch fallen‹?

SG: Das liegt wohl u.a. daran, dass wir sehr lange Zeit nicht sichtbar waren. Man mag es kaum glauben, aber es ist noch nicht so lange selbstverständlich, den Übersetzer oder die Übersetzerin zu nennen. Früher wurden die Namen, wenn überhaupt, irgendwo im Kleingedruckten versteckt. Dass sie heute auf der Titelseite genannt werden, ist sicher ein Fortschritt, und es gibt auch einzelne Verlage, die die Übersetzer_innen sogar auf dem Umschlag nennen, wie es bei Autorinnen und Autoren selbstverständlich ist.

Leider stelle ich auch heute immer noch fest, dass die Übersetzernamen in vielen Rezensionen, Interviews und sogar den Verlagsvorschauen nicht genannt werden. Da fragt man sich dann schon, ob sich das Buch wohl von selbst aus der Fremdsprache übersetzt hat. Und genau dieser Eindruck entsteht auch beim Publikum, womit wir wieder beim Nicht-Sichtbar-sein wären.

Selbst wenn die Übersetzung in einer Rezension angesprochen wird, wird sie meistens mit einem positiven oder negativen Satz abgefertigt, als wollte man sich einer unangenehmen Pflicht entledigen. Es kommt eher selten vor, dass Rezensenten ausführlich auf die Übersetzungsarbeit eingehen. Was die Wahrnehmung angeht, ist der Weg daher noch lange nicht zu Ende.

Histo Journal: Das ist interessant. Bislang habe ich mich nicht getraut die Übersetzung in einem Roman oder in einem Fachbuch über die Maßen {wenn überhaupt} anzusprechen. Auf der anderen Seite habe ich beim Lesen unbewusst festgestellt, dass es Übersetzer gibt, deren Übertragungen ich gern lese, weil ich deren Sprachgefühl sehr mag. Dazu gehören zum Beispiel die Sansom Romane {alle übersetzt von Irmengard Gabler}, aber auch »Ich zähmte die Wölfin« von Marguerite Yourcenar/Fritz Jaffé. Oder die neuen Highsmith Übersetzungen {u.a. Melanie Walz, Matthias Jendis} . Bei Robert Harris neuem Roman {Wolfgang Müller} störte mich indes das permanente Ihrzen und Siezen – Römer haben sich geduzt! Auch störte ich mich am Begriff Kutsche. Römer fuhren Wagen. Der Begriff Kutsche/r ist erst Jahrhunderte später entstanden. Vermutlich habe ich mich da ziemlich reingesteigert …

SG: Es ist generell gut, wenn Übersetzungen als solche wahrgenommen werden. Und wir begrüßen es, wenn sich jemand die Mühe macht, darauf einzugehen. Solche Anreden bei den Römern finde ich völlig daneben, das geht gar nicht und sollte beim Übersetzen und Lektorieren beachtet werden. Was ein sehr guter Indikator für eine mangelhafte Übersetzung ist: wenn man etwas liest und sofort weiß, was im Original dort gestanden hat. Das ist meist kein gutes Zeichen, weil zu eng am Original.

Histo Journal: Worüber sprechen Übersetzer, wenn sie sich treffen?

SG: Das ist ganz unterschiedlich. Über berufspolitische Fragen wie Vertragsrecht oder Urheberrecht, aber auch über ganz konkrete Übersetzungsprobleme. Da ist der Austausch sehr hilfreich, da die allermeisten von uns allein an ihren Projekten arbeiten.

Histo Journal: Die historischen Romane von C. J. Sansom werden von Irmengard Gabler ins Deutsche übersetzt. Hast du auch einen Autor, dessen Hauptübersetzerin du bist?

SG: Ja, sogar mehrere. Ich habe bisher zehn Krimis von Peter James übersetzt. Und auch die letzten drei Romane von Chris Cleave, von dem in der nächsten Frage noch die Rede sein wird. Es ist von Vorteil, wenn man Sprache und Stil eines Autors schon kennt. Handelt es sich um eine Serie wie im Fall von Peter James, gibt es natürlich auch Begriffe, die sich immer wiederholen und bei denen man ein Glossar erstellen kann, was die Arbeit erleichtert.

Histo Journal: Gerade hast du die Übersetzung von ›Everyone Brave is forgiven‹ von Chris Cleave abgeschlossen. Fiel dir die Übersetzung leichter, weil du seinen Stil und all das schon kennst?

SG: Nein, gar nicht, da die drei Romane stilistisch und thematisch sehr unterschiedlich sind. Was sie verbindet, ist seine Konzentration auf wunderbare weibliche Figuren. Geschichte und Milieu, in dem die Romane spielen, sind hingegen vollkommen unterschiedlich. Und auch sprachlich finde ich den neuesten Roman am schwierigsten.

»Everyone Brave is Forgiven« ist für mich das sprachlich komplexeste der drei Bücher und eine der größten Herausforderungen, die ich als Übersetzerin bisher hatte. Gerade das machte die Arbeit sehr spannend, und ich bin sehr froh, dass ich meine Grenzen austesten konnte.

Histo Journal: Welchen Roman würdest du gerne übersetzen?

SG: Beispielsweise den, den ich gerade lese: »Time and Time Again« von Ben Elton. Eine tolle Zeitreisegeschichte, die aber nicht so sehr Science Fiction, sondern eher historischer Roman ist.
Oder auch »A Madman Dreams of Turing Machines« von Janna Levin, der das ungewöhnliche Leben der beiden Mathematiker Alan Turing und Kurt Gödel erzählt.

Histo Journal: Welchen Roman hättest du gerne übersetzt?

SG: Ich würde mich sehr gerne einmal an Büchern von Kazuo Ishiguro versuchen, einem meiner Lieblingsschriftsteller.

Histo Journal: Wie viel Zeit hast du im Schnitt für eine Übersetzung?

SG: Das spreche ich individuell mit meinen Lektorinnen ab. Ich brauche meist zwischen drei und vier Monaten für einen Roman, versuche aber, Spielraum auszuhandeln, falls etwas Unvorhergesehenes wie eine Krankheit dazwischenkommt. Es hängt natürlich auch vom Umfang des Buches ab.

Histo Journal: Worin besteht für dich die Herausforderung bei einer Übersetzung?

SG: Die größte Herausforderung besteht wohl darin, einen Text zu erschaffen, der dem Original gerecht wird, aber nicht übersetzt klingt. Ich habe einmal ein Buch über Übersetzungstheorie gelesen, das eine ganz hilfreiche Grundregel aufstellte: die der Wirkungsäquivalenz. Die Übersetzung sollte bei den Lesern die gleiche Wirkung erzielen wie das Original, und wenn man sich dabei vom Original entfernen muss, sollte man es tun. Das gilt beispielsweise für Komik, die durch Wortspiele oder Anspielungen erzielt wird, die in der Zielsprache nicht existieren. Da muss ich dann schon mal kreativ werden und mir etwas ganz anderes ausdenken, um beim Publikum trotzdem die gleiche Wirkung zu erzielen, in diesem Fall also Belustigung.

Histo Journal: Gibt es {immer} einen Austausch zwischen Übersetzer und Autor? Ist ein Austausch mit dem Autor während der Übersetzungsphase eher von Vor- oder von Nachteil?

SG: Ich nehme eigentlich nur Kontakt auf, wenn ich Fragen zum Text habe. In diesem Fall ist ein Austausch natürlich sehr nützlich, und ich habe nette Kontakte dabei geknüpft. Meistens notiere ich mir die Fragen und stelle sie, wenn ich mit der ersten Fassung fertig bin. Falls es eine Frage ist, die für die gesamte Übersetzungsarbeit relevant ist, stellte ich sie natürlich vorher.

Ich habe einen Fall erlebt, in dem der Austausch anstrengend für mich war und mir auch ein wenig den Spaß genommen hat. Die Autorin war gebürtige Deutsche und hatte sich das Recht zusichern lassen, die Übersetzung zu prüfen. Sie hatte das Buch allerdings auf Englisch geschrieben, da sie seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr in Deutschland wohnte. Das führte dazu, dass sie den Kontakt zur deutschen Sprache verloren hatte und wir viele mühsame Diskussionen über Kleinigkeiten führen mussten, bei denen sich der Sprachgebrauch geändert hatte. Eine Variante heute sie beispielsweise erst akzeptieren, nachdem wir ihr nachgewiesen hatten, dass genau diese Verwendung des Futurs auch bei Gabriel García Márquez vorkommt. Damit hat sie sich dann zufriedengegeben.

Insgesamt waren meine Kontakte aber positiv und haben ganz sicher dazu beigetragen, dass die Übersetzungen besser geworden sind. Das ist natürlich im beiderseitigen Interesse, und so halte ich es auch, wenn meine eigenen Bücher übersetzt werden. Dabei stehe ich für Fragen immer zur Verfügung.

Histo Journal: Werden Übersetzer angemessen für ihre Tätigkeit entlohnt?

SG: Nein, das werden sie in den meisten Fällen nicht. Es hat sich in den vergangenen Jahren einiges bewegt, was Erfolgsbeteiligungen angeht. Dennoch sind die Seitenhonorare nach wie vor zu niedrig und liegen oft deutlich unter dem, was Kolleginnen und Kollegen verdienen, die technische oder wirtschaftliche Texte übersetzen.

Histo Journal: Liest, hörst oder schaust du privat viele Romane, Sachbücher, Hörbücher oder Filme im Original?

SG: Ja – nicht weil ich die Übersetzerarbeit nicht schätze, aber ich lerne eben auch immer wieder etwas beim Lesen englischsprachiger Bücher, und diese Erfahrung möchte ich einfach nicht missen.
Das Gleiche gilt auch für Hörbücher und Filme. Es ist unmittelbarer, die Stimmen der Darsteller zu hören, anstatt eine Synchronisation dazwischen geschaltet zu bekommen.
Interessanterweise ist es auch so, dass man eine Synchronisation sofort erkennen kann. Kürzlich schaute mein Mann einen Tatort. Ich kam ins Wohnzimmer und sagte sofort, dass etwas daran seltsam klinge. Es stellte sich heraus, dass es der Schweizer Tatort war, und den hatte man synchronisiert. Das kann man sofort hören.

Histo Journal: Herzlichen Dank für das Interview, Susanne!

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