Franz Werfel – Die vierzig Tage des Musa Dagh

»Diese Sucht, zu erniedrigen …«*

»Die vierzig Tage des Musa Dagh«
Autor: Franz Werfel
Sprecher: Alexander Fehling, Sebastian Blomberg, Vincent Leittersdorf, Valery Tscheplanowa und weitere
Regie: Kai Grehn
Originalverlag: S. Fischer Verlag
Fassung: Hörspiel
Produktion: Südwestrundfunk / Norddeutscher Rundfunk / Hessischer Rundfunk 2015
Laufzeit: 174 Minuten {3 CDs/151 Tracks}
Verlag: Der Hörverlag

Das schön gestaltete Digifile enthält 3 CDs. Ein Booklet mit weiteren interessanten Informationen sowie Bildmaterial ist ebenfalls beigelegt.

Inhalt:
Gabriel Bagradian kehrt nach 23 Jahren mit Frau und Kind in seine armenische Heimat am Fuße des Musa Dagh zurück. Der Besuch soll nur kurze Zeit dauern, doch dann bricht der Erste Weltkrieg aus und die Familie sitzt fest. Gabriel gerät in die vom Osmanischen Reich verhängte Verschickung der armenischen Minderheit. Doch statt sich in das Schicksal der Deportation zu fügen, setzt Gabriel alles auf eine Karte: Auf dem Musa Dagh sucht er mit ca. 5.000 Armeniern Zuflucht vor Verfolgung, Verschleppung und Ausrottung durch die Türken. Sein verzweifelter Triumph heißt erbitterter Widerstand, koste es, was es wolle.

Gehört & notiert von Alessa Schmelzer

Histo Journal Hörbuch des Monats {August 2015}

1933 erschien »Die vierzig Tage des Musa Dagh« von Franz Werfel. Und heute, etliche Jahre später, hat es von seiner Aktualität nichts eingebüßt.
»Das Jammerbild verstümmelter und verhungerter Flüchtlingskinder, die in einer Teppichfabrik arbeiteten, gab den entscheidenden Anstoß, das unfassbare Schicksal des armenischen Volkes dem Totenreich alles Geschehenen zu entreißen«, schrieb Franz Werfel in einer Nachbemerkung des Romans, der im November 1933 erstmalig erschienen war.

Gemeinsam mit seiner Frau Alma Mahler-Werfel hatte er u.a. das Gebiet des Musa Dagh {Berg Mosis oder Mosesberg} wenige Jahre zuvor bereist. Die Begegnung mit Überlebenden des furchtbaren Massakers, welches viele Jahre später erst als Genozid bezeichnet werden sollte, erschütterte ihn zutiefst. Sein Roman sollte die Menschen ›wach‹rütteln, denn niemand mochte sich an die Gräueltaten erinnern wollen, nicht die Regierung des Osmanischen Reiches, welches den Genozid verübt hatte, noch die restliche Welt. Selbst heute – 100 Jahre später – vermeidet nicht nur die türkische Regierung das Wort ›Genozid‹.

Als Werfels Roman 1933 in Deutschland erschien, landete er wenige Wochen später auch schon auf dem Index der verbotenen Bücher und durfte nicht mehr verkauft werden. Nicht weil Werfel jüdischen Glaubens war, sondern – und dies war die offizielle Verlautbarung – weil der Inhalt die öffentliche Ordnung gefährden könne. Die wahren Gründe liegen auf der Hand, weist das Schicksal der Armenier – die aufgrund ihres christlichen Glaubens in das Visier der Regierung des Osmanischen Reiches gerieten, systematisch verfolgt und deportiert worden waren – zu viele Ähnlichkeiten mit dem geplanten Vorgehen gegen die jüdische deutsche Bevölkerung auf.
Anders war die Lage in den USA. Dort hielt sich der Roman, der 1934 unter dem Titel »The Forty Days of Musa Dagh« erschienen war, wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerliste. Auch eine Verfilmung des Romans war im Gespräch.

Wer Werfels Roman gelesen hat, der mag sich fragen: Eignet sich der Roman als Hörspiel? – Ja. Kai Grehn ist bei der Bearbeitung des Stoffes geschickt und sehr behutsam vorgegangen. Und vielleicht tritt die ›Seele‹ des Werkes in dieser komprimierten Fassung noch intensiver hervor. Sprecher wie Alexander Fehling {Gabriel Bagradin} oder Sebastian Blomberg {Erzähler} erzeugen eine Atmosphäre aus Angst, Hilflosigkeit und Wut, aber auch aus Stärke und Zuversicht. Die orientalische Musik trifft den Hörer mit ihrer melancholischen Stimmung mitten ins Herz.

Fazit

Atmosphärisch dicht, tief bewegend und heute immer noch hochaktuell.
Eine gelungene Produktion.

Franz Werfel wurde 1890 in Prag als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren. Er schrieb zunächst expressionistische Lyrik, später Erzählungen und Romane. In den 20er und 30er Jahren avancierte Werfel zu einem der meistgelesenen deutschen Autoren. Sein Verdi-Roman löste 1924, mehr als 20 Jahre nach dem Tod des Komponisten, eine wahrhafte Verdi-Renaissance in Deutschland aus. Werfel heiratete 1929 Alma Mahler. Nach der Emigration in die USA starb er 1945 in Beverly Hills.

Weitere Informationen sowie eine Hörprobe auf der Website des Hörverlags.

*Zitat von Franz Werfel