Der eiserne Sommer

Hörbuch Rezension: »Der eiserne Sommer«

Gehört & notiert von Alessa Schmelzer

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»Der eiserne Sommer«

Autor: Angelika Felenda
Sprecher: Johannes Steck, Jens Wawrczeck und Kai Henrik Möller
Fassung: ungekürzt
Laufzeit: 12 Stunden und 29 Minuten
Verlag: Der Hörverlag

Das Digifile enthält eine mp3-CD, Kurzbiografien zur Autorin sowie zu den Hauptsprechern Johannes Steck und Jens Wawrczeck. Im Innenteil findet sich zudem eine komplette Auflistung der Kapitel.

Inhalt:
Mord im Juni 1914 … ein Münchner Kommissar ermittelt
Juni 1914: Zwei Schüsse fallen in Sarajewo, und die Welt rückt an den Abgrund. Franz Ferdinand, der Thronfolger Österreich-Ungarns, ist tot. Zur gleichen Zeit steht Kommissär Reitmeyer in München vor einer schwierigen Entscheidung. Er hat es satt, die Marionette des Polizeipräsidenten zu sein. Die Leiche eines jungen Mannes führt ihn von den Arbeitervierteln bis in die Villen der Großbürger. Und in das berüchtigte Café Neptun, Vergnügungsort der Offiziere. Der Polizeipräsident drängt ihn, nicht noch tiefer zu schürfen, und gegen das Militär darf er per Gesetz nicht ermitteln. Da macht Reitmeyer eine ungeheuerliche Entdeckung, die nicht nur ihn selbst zum Abschuss freigibt, sondern das ganze Land in den Untergang stürzen könnte.

»Wer schwach ist, muss untergehen.«

Sommer 1914: Die todbringenden Schüsse auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo rücken die Welt langsam aber sicher an ihren Abgrund. Aber wie anderswo auch, so ist davon in München im Juni/Juli des Sommers 1914 noch nichts zu spüren. Alles geht seinen gewohnten Gang – auch im Polizeikommissariat. Gestohlen und gemordet wird immer. Und so muss Sebastian Reitmeyer, Felendas eigenwilliger Münchner Kommissär, zu einem Tatort an die Isar ausrücken, wo die Leiche eines jungen Mannes aufgefunden worden ist. Für den Mediziner vor Ort handelt es sich um einen Sturz mit Todesfolge. Er erklärt Reitmeyer, dass der stark alkoholisierte Mann gestolpert, zu Boden gefallen und sich dabei die tödlichen Verletzungen zugezogen haben muss. Trotzdem ist Reitmeyers Arbeit damit nicht beendet, denn da niemand weiß wer der Tote ist, liegt es an ihm das herauszubekommen. Der Kommissär nimmt die Ermittlungen auf und findet sich kurz darauf im homosexuellen Milieu Münchner Offiziere wieder, die sich nicht nur im einschlägigen Café Neptun amüsieren. Was hatte der Tote, der sich rasch als einfacher Kellner entpuppt, mit den Offizieren zu schaffen? So kreuzen sich die Wege des Kommissärs mit denen des Militärs, worauf dessen Oberste wenig erfreut reagieren. Als Reitmeyers Jugendliebe Caroline von Dohmberg, studierte Ärztin und in der Rechtsmedizin der Polizei als Aushilfe tätig, kurz darauf herausfindet, dass der Unfall ein heimtückischer Mord war, scheint ein Skandal in den Offizierskreisen unausweichlich. Dann gibt es einen zweiten Toten. Der Kommissär ermittelt weiter, doch weder Caroline, noch Reitmeyers Vorgesetzte oder das Militär spielen mit offenen Karten…

Gelungenes Romandebüt von Felenda

In seinem ersten Fall schickt Felenda ihren Kommissär Sebastian Reitmeyer in Münchens ›schwule Sub‹ des Jahres 1914. Dabei beweist sie sprachliches Feingefühl. Sei es nun die ›Szene‹ mit all ihren Eigenheiten, das Café Neptun, das mondäne Hotel Regina oder die Arbeit am Seziertisch – Felenda schreibt glaubwürdig. Es macht Spaß ihren Kommissär auf seinen Ermittlungen zu begleiten. Denn leicht und unaufdringlich erfährt der Hörer vieles über die Polizeiarbeit und ihren Wissensstand im damaligen Kaiserreich, über die Arbeit in der Pathologie und das gesellschaftliche Gefüge vor hundert Jahren. Nebenbei schürt es auch noch den Wunsch einmal selbst München auf Reitmeyers Spuren zu erkunden. Auch in das private Leben Reitmeyers gibt es Einblicke, so dass man am Ende das Gefühl hat einen neuen Freund gewonnen zu haben. Aber auch die Kollegen Steiger, Brunner oder der junge Polizeischüler ebenso wie Reitmeyers Vorgesetzte beinhalten meines Erachtens noch viel Potential für weitere Fälle.

Wawrczeck und Steck fesseln den Hörer von der ersten bis zur letzten Sekunde…

Bei dieser hochwertigen Produktion kommt alles zusammen was ein Hörerherz höher schlagen lässt: eine spannende und gut konstruierte Geschichte, sorgfältig herausgearbeitete und glaubwürdige Figuren, stimmige historische Fakten. Den Rest ›erledigen‹ die Stimmen von Jens Wawrczeck, Johannes Steck und Kai Hendrik Möller, dank derer sich der Hörer unmittelbar im Zentrum des Geschehens befindet. Ihre Parts sind passend ausgesucht. Während Möller die wenigen Memoranda des Militärs obliegen, teilen Wawrczeck und Steck die Hauptparts untereinander auf. Hörbuchliebhaber wissen die Qualitäten der Sprecher Wawrczeck und Steck zu schätzen. Wawrczeck liest die »Aufzeichnungen eines Offiziers«, Steck den erzählerischen Anteil. Sie beide beherrschen ihr Instrument – die Stimme – perfekt. ›Memoranda des Militärs‹ sowie die ‹Aufzeichnungen eines Offiziers‹ unterbrechen den eigentlichen Erzähl- und Handlungsstrang. Mag dies den Hörer zu Beginn auch irritieren, trägt dieses Stilmittel doch enorm zur Spannung bei.
Wawrczeck erweckt einen neiderfüllten, rassistisch denkenden und recht arroganten Offizier zum Leben. In seinen Aufzeichnungen nimmt der Offizier kein Blatt vor den Mund. Erst nach und nach erkennt der Hörer, was es damit eigentlich auf sich hat. Dank Wawrczecks Interpretation sieht man den Offizier vor seinem geistigen Auge. Sieht ihn mit erhobenem Kopf, das Kinn vorgereckt Sätze ausspeiend, wie: »Widerwärtig geschminkte junge Burschen wie man sie in der Bayerstraße und am Karlsplatz herumlungern sieht, wo sie es auf die Brieftaschen einsamer Herrn abgesehen haben. Krankes Gesindel. Auswurf der Menschheit.« In insgesamt sechzehn Aufzeichnungen meldet sich der Offizier zu Wort – und verschafft dem Hörer somit immer einen leichten Vorsprung vor Reitmeyer.
Johannes Steck kommt als Erzählstimme der Löwenanteil zu. Er liest ruhig und seine Betonung ist gewohnt treffsicher und sorgfältig. Besonders schön, weil herrlich zum Münchner Lokalkolorit beitragend, ist der wohldosiert eingesetzte Dialekt. Wenn Steck alias Brunner im gemütlichen bayrischen Dialekt fragt: »Sitzen S‘ wieder seit aller Herrgottsfrüh da? Immer noch an der Arbeit für ’n Klotz?« kommt einfach Freude auf.

Fazit:

»Der eiserne Sommer« ist der vielversprechende Auftakt einer Reihe um den Münchner Kommissär Sebastian Reitmeyer. Bleibt zu hoffen, dass auch Reitmeyers kommende Fälle ebenso brisant und außergewöhnlich sind – und nicht allzu lange auf sich warten lassen.
Wawrczeck und Steck erweisen sich als stimmliches Dream Team. Sie machen »Der eiserne Sommer« zu einem echten Highlight, das sich keiner entgehen lassen sollte!

Auf der Website des Hörverlags gibt es weitere Informationen sowie eine Hörprobe.