Jackie

Jackie – Tränen statt Twitter

Filmkritik von T.M. Schurkus

Natalie Portman spielt die Witwe John F Kennedys, die den Mord an ihrem Mann verarbeiten und der Rolle als First Lady gerecht werden muss in einem Land, das unter Schock steht.

Jackie - Filmplakat
© Filmplakat Fox Searchlight Pictures

Jackie
USA 2016
R: Pablo Larrain
D: Natalie Portman, Peter Sarsgaard, John Hurt
Kinostart: 26.01.17

Es gab eine Zeit, in der die Öffentlichkeit wenig über das wusste, was im Weißen Haus vor sich ging oder wie es darin aussah. Statt Dauer-Getwitter gab es offizielle Pressetermine, und einer davon zieht sich wie ein roter Faden durch den Film: Jackie Kennedy lud ein TV Team in das Weiße Haus und führte es herum. Wir erleben eine unsichere, fast überforderte Frau, die immer wieder daran erinnert werden muss, für die Nation zu lächeln. Die offizielle Aufgabe einer First Lady war dekorativ {auch wenn einige von ihnen prägenden Einfluss auf die Politik ausübten}, aber Jackie Kennedy zeigte, dass das keine belanglose Aufgabe war: Sie war sich als eine der ersten des symbolischen Raums bewusst, den das Weiße Haus darstellte. Es ging nicht nur darum, nach eigenem Geschmack umzugestalten, was bisher jeder First Lady zustand. Es geht um die beinahe sakrale Funktion, die von Abraham Lincoln und Franklin Delano Roosevelt benutzte Möbel haben. Jackie betont, dass sie über die Dekoration Identität stiften will – etwas, das die Realpolitik überdauern soll.

Der unsichtbare Präsident

Deswegen sieht man JFK im Film kaum. Viele Dokumentationen und Filme hat er beherrscht, lächelnd, winkend, jung. Es gäbe einiges an Skandalen aufzuarbeiten: Seine Affären, seine Mafia-Kontakte, seine Ausflüge in die Halbwelt und Marilyn Monroe. Nicht der Film schweigt darüber, sondern seine Witwe. Die Rahmenhandlung zeigt sie in einem Interview, nervös an einer Zigarette ziehend, aber streng und verschlossen, wenn es um die Schattenseiten dieser Ehe ging. Sie will das Bild bestimmen und lässt den Journalisten wissen: Und ich rauche auch nicht.
Ein Film also aus einer Zeit, in der Medien sich noch beherrschen oder zumindest noch steuern ließen und so eine Spannung entstand zwischen dem offiziellen Bild und »der Wahrheit dahinter«. Der Film ist sich bewusst, dass man heute kaum mit dem Aufdecken, dem Bloßstellen punkten kann; wir sind, dank sozialer Netzwerke, der {Selbst}Entblößung müde. Leider gelingt es dem Film auch nicht, einen anderen Spannungsbogen an diese Stelle zu setzen.
Worum es für Jackie geht, macht sie ebenso gereizt wie dominant deutlich: Sie will das Andenken an ihren ermordeten Mann in eben den von ihr geschaffenen sakralen Raum überführen. Die Beerdigung wird zur großen Inszenierung, trotz der Bedenken der Sicherheitsexperten. Es bleibt aber die Frage: Kann das für uns Zuschauer etwas bedeuten? – zumal wenn wir keine Amerikaner sind. So verliert sich der Film vor allem am Schluss in dem Versuch, seine Szenen {pathetisch-patriotischer} Trauer immer nochmals mit einer neuen Einstellung zu überbieten. Wenn die glorreiche Ahnenreihe amerikanischer Präsidenten beschworen wird, zuckt man angesichts der aktuellen Situation mit sarkastischem Schrecken gelegentlich zurück.

Blut und Mode

Seine starken Momente hat der Film vor allem durch seine realistische Inszenierung des Anschlags in Dallas aus Jackies Sicht. Hinter der historisch-politischen Aufarbeitung ist die Frage nach dem persönlichen Trauma bisher verblasst: Hier erlebt man, wie eine Frau plötzlich Blut und Hirnmasse ihres Mannes auf dem Kleid hat, eine lange Einstellung zeigt, wie sie sich das Blut aus dem Gesicht wischt und es nicht zu gelingen scheint.
»Jackie« ist somit ein Schauspieler-Film, eine ganz offensichtliche Empfehlung an die Oscar-Academy für die beste weibliche Hauptrolle. In der differenzierten Darstellung durch Natalie Portman entstehen kleine Spannungsmomente: Diese Jackie will nicht bemitleidet werden, oft ist sie anstrengend in ihren Stimmungsschwankungen und immer ist man durch die Kamera-Führung, die wie eine Body-Cam operiert, nah dran: Fast ein Ein-Personen-Stück. In vielen Einstellungen irrt sie alleine durch die Räume des Weißen Hauses, versucht ihr Leben als First Lady wie im Zeitraffer noch einmal zu inszenieren: Kleider, Schmuck, Drinks, Musik, Tabletten, Kleider. Die wenigen anderen Rollen bleiben dennoch im Gedächtnis: John Hurt etwa, der kürzlich verstorbene Schauspieler, in seiner letzten Rolle als Priester, der nicht nur Trost spendet, sondern als einziger die Trauernde in ihre Grenzen weist.

Fazit

Jackie Kennedy musste sich nach dem 22.11.1963 einer Aufgabe stellen, für die es kein Drehbuch gab: Witwe, Mutter von zwei Kindern und Symbol einer trauernden Nation. Der Film zeigt, wie sie gleichermaßen daran zerbrach und wie sie darin triumphierte. Leider reicht die Wirkung nicht über die Schilderung eines außergewöhnlichen Schicksals hinaus, und so bleibt man trotz vieler Tränen, die im Film vergossen werden, nur unbeteiligter Zuschauer.

Histo Journal Filmpunkte: Drei von fünf Punkten