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Anne Lister. Eine erotische Biographie

Anne Lister. Eine erotische Biographie –

In den Romanen von Jane Austen gibt es eine Information über unverheiratete Männer, die den betreffenden voraus eilt: Er hat soundso viel Pfund im Jahr. Übersetzt bedeutet dies: Das ist das Gehalt, das man im Job als seine Ehefrau beziehen kann, und entsprechend eifrig wird sich beworben oder eben nicht. Und dann geht es natürlich mal augenzwinkernd, mal seufzend um eine unberechenbare Größe auf dem Heiratsmarkt: Das Gefühl, die Liebe. Um Erotik, um Triebe und Lust geht es natürlich nicht.
Der Erfolg dieser Romane hat das Frauenbild des frühen 19. Jahrhunderts bis in unsere Tage geprägt: Die Frau war heterosexuell, gewitzt, Mode bewusst und romantisch. Am Ende der über sie erzählenswerten Geschichte hat sie den Mann gefunden, der ihre emotionalen und finanziellen Bedürfnisse bedient.
Angela Steidele ließ mich wissen, es sei ein Zufall, dass »Anne Lister. Eine erotische Biografie« im Jubiläumsjahr von Jane Austen erscheint. Natürlich ist uns allen bewusst, dass es auch andere Frauenlebensläufe zu dieser Zeit gab, und es ist erfrischend, eine Biografie, basierend auf Tagebüchern {sehr vielen Tagebüchern}, Briefen und einer umfangreichen Recherche zu lesen. Und an manchen Stellen vergewissert man sich ungläubig, dass dies kein Dokument ist, das von der LGBT-Bewegung lanciert wurde.

Ohne mit den gesellschaftlichen oder religiösen Moralvorstellungen zu hadern, schreibt Anne Lister über ihr Lust auf und mit Frauen, über ihre Verführungskünste {Frauen, die sich hergaben, waren für sie uninteressant}, über das Spiel in der Intimzone, über die Anzahl und Qualität der »Küsse« {als Code für Orgasmen}, über Sex während der Menstruation, über Geschlechtskrankheiten. Wer sich also das Bild bewahren will, dass Frauen zu der Zeit vor allem hinter den passenden Bändern für ihre Kleider her waren, sei vor diesem Buch gewarnt, denn Anne Listers Offenherzigkeit brachte bisweilen auch die Autorin …

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